Auswirkung der Löschung im Handelsregister während des Klageverfahrens auf die Beteiligtenfähigkeit; Auswirkung der Löschung im Handelsregister während des Klageverfahrens auf die Parteifähigkeit; Deklaratorische Wirkung der Eintragung im Handelsregister

Fundstelle:

BFH/NV 1986, 384

Tatbestand

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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, erwarb mit Vertrag vom 1. Juni 1975 von Herrn H. das gesamte Inventar eines vom Veräußerer in gepachteten Räumen betriebenen Cafés zum Festpreis von 120 493 DM einschließlich Umsatzsteuer, zahlbar am 15. Juli 1975 an den Verpächter der Gaststätte. In dem Kaufvertrag wird ausgeführt, daß die getroffenen Vereinbarungen nur dann gelten, wenn der Käufer mit dem Verpächter einen Pachtvertrag abschließen kann. Daraufhin schlossen am 10. Juni 1975 die Klägerin und der Eigentümer der Gaststättenräume einen Vertrag über die Vermietung dieser Räume für die Dauer von sieben Jahren, beginnend am 1. Juli 1975. Die Klägerin führte das Lokal als Tanzcafé und Restaurant fort. Im Jahre 1977 wurde die Gesellschaft aufgelöst. Zum Abwickler wurde der Kaufmann S. bestellt. Am 10. Dezember 1977 wurde die KG im Handelsregister gelöscht.

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm mit Haftungsbescheid vom August 1976 die Klägerin als Betriebsübernehmerin wegen Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer IV. Quartal 1974 und I. Quartal 1975, ferner wegen Umsatzsteuer für das Jahr 1974 und die Monate Januar bis April 1975 des Betriebsveräußerers in Anspruch. Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren von dem Liquidator für die Klägerin erhobene Klage mit folgender Begründung ab:

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Auf die Zulässigkeit der Klage sei es ohne Einfluß, daß die Firma der Klägerin während des anhängigen Klageverfahrens im Handelsregister gelöscht worden sei. Durch die Löschung werde die Parteifähigkeit der Klägerin nicht berührt. Hierfür komme es vielmehr darauf an, ob die Gesellschaft noch fortbestehe oder ob sie beendigt und damit rechtlich untergegangen sei. Zwar setze die Löschung der Firma einer KG im Handelsregister voraus, daß die Abwicklung der Gesellschaft und damit auch die Gesellschaft selbst voll beendet sei. Die das Erlöschen bekundende Eintragung habe jedoch keine rechtsbegründende (konstitutive), sondern nur deklaratorische Wirkung. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. November 1977 IV R 113/75 (BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467), dem sich der Senat anschließe, könne die Vollbeendigung einer Gesellschaft jedenfalls solange nicht eintreten, als die Gesellschaft noch an einem schwebenden finanzgerichtlichen Verfahren über einen Gewinnfeststellungsbescheid beteiligt sei. Das müsse in gleicher Weise auch für den Streitfall gelten, in dem sich die Klägerin gegen ihre Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin wende. Die Klägerin sei daher nach wie vor beteiligungsfähig, weil ihre Vollbeendigung vor Abschluß des von ihr eingeleiteten Rechtsbehelfs- und Klageverfahrens nicht eintreten könne.

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Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Klägerin hafte nach § 116 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO), der nach Art. 97 § 11 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) auf den Streitfall noch anzuwenden sei, für die geltend gemachten betriebsbedingten Steuern und Steuerabzugsbeträge des Betriebsveräußerers, weil ihr dessen Unternehmen im ganzen übereignet worden sei. Hierfür sei erforderlich, daß die wesentlichen Grundlagen eines lebenden Unternehmens auf einen anderen übergingen, so daß dieser das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortführen könne. Bei einer Gastwirtschaft, wie bei dem im Streitfall vorliegenden Café-Restaurant, seien als wesentliche Betriebsgrundlagen die entsprechend hergerichteten Räumlichkeiten und deren Nutzungsmöglichkeit, sowie das Inventar anzusehen.

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Der Klägerin könne nicht darin gefolgt werden, daß eine Haftung dem Grunde nach ausgeschlossen sei, weil ihr Vorgänger, der das Inventar unter Eigentumsvorbehalt erworben habe, gar nicht in der Lage gewesen sei, ihr das Eigentum daran zu übertragen, weshalb der Kaufvertrag nichtig sei. Aufgrund des Kaufvertrages sei ihr jedenfalls das Anwartschaftsrecht an den unter Eigentumsvorbehalt stehenden Gegenständen übertragen worden. Dieses sei eine vermögenswerte Position, aufgrund deren die Klägerin die Nutzungsmöglichkeit am Inventar erlangt habe.

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Das Unternehmen habe mit den übernommenen Wirtschaftsgütern von der Klägerin fortgeführt werden können. Die von ihr vorgenommenen Ergänzungsanschaffungen (Bestecke, Kaffeegeschirr und ein Sahneschrank) seien, verglichen mit dem Wert des sonstigen übernommenen Inventars unbedeutend. Es komme auch nicht darauf an, daß die Klägerin den Warenbestand nicht übernommen habe. Selbst wenn ein umfangreicher Warenbestand vorhanden gewesen sein sollte, so habe es sich jedenfalls um leicht verderbliche Waren (Lebensmittel) gehandelt, die ähnlich wie Fleisch-, Fisch-, Obst- und Gemüsevorräte in Einzelhandelsgeschäften nicht zu den wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens zählten.

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Die Voraussetzungen der Erwerberhaftung seien auch insoweit gegeben, als die Klägerin die bei einer Gastwirtschaft als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehenden Räumlichkeiten bzw. deren Nutzungsmöglichkeiten übernommen habe. Zwar habe der Veräußerer nicht unmittelbar am Abschluß des neuen Mietvertrages zwischen der Klägerin und dem Vermieter mitgewirkt; er habe der Klägerin jedoch die Möglichkeit verschafft, einen neuen Mietvertrag abzuschließen. Insbesondere sei der Kaufvertrag zwischen dem Vorunternehmer und der Klägerin unter der Bedingung abgeschlossen worden, daß ein entsprechender Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem Vermieter zustande komme. Ferner sei im Kaufvertrag vereinbart worden, daß der Kaufpreis für das Inventar an den Vermieter zur Verrechnung mit Mietrückständen und anderen Schulden des Vorgängers zu zahlen sei. Das zeige, daß der Abschluß des Mietvertrages von der Inventarübernahme abhängig gewesen sei und nur ein einverständliches Zusammenwirken des Vorunternehmers und des Vermieters mit der Klägerin die Übernahme der Gaststätte ermöglicht hätte.

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Schließlich schlage der Einwand der Klägerin nicht durch, der übernommene Betrieb sei verschuldet gewesen, da auch ein überschuldetes Unternehmen - wie sich im Streitfall erwiesen habe - fortgeführt werden könne. Maßgebend sei allein, daß es sich bei dem übernommenen Betrieb um ein lebendes Unternehmen gehandelt habe. Nach den Bekundungen des ehemaligen Geschäftsführers und jetzigen Liquidators der Klägerin in der mündlichen Verhandlung habe diese ein lebendes Unternehmen übernommen. Die Gaststätte sei zum Zeitpunkt der Übernahme lediglich an einem Wochenende geschlossen gewesen. Sie sei danach ohne größeren Kostenaufwand und ohne wesentliche Veränderungen von der Klägerin fortgeführt worden.

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Der Klägerin könne auch nicht darin gefolgt werden, daß ihre Inanspruchnahme erst möglich sei, nachdem die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Vorunternehmers ohne Erfolg geblieben sei. Eine derartige Haftungsbeschränkung enthalte § 116 AO nicht. Die Rechtsprechung zur AO habe allerdings den jetzt in § 219 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geregelten Grundsatz der Subsidiarität der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners bereits im Rahmen der Ermessensüberprüfung berücksichtigt. Das FA habe aber die Klägerin ermessenfehlerfrei in Anspruch nehmen können, da die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Vorunternehmers, wie sich aus dem in der mündlichen Verhandlung verlesenen Vermögensverzeichnis ergeben habe, erfolglos gewesen wäre.Mit der Revision rügt die Klägerin, das FG habe die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) über die Parteifähigkeit (§§ 50, 51, 52, 56 ZPO) verkannt. Im Streitfall seien sowohl die GmbH & Co. KG - sie selbst - als auch die Komplementär-GmbH wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden. Die vom FG zitierte BFH-Rechtsprechung betreffe ausschließlich reine Personengesellschaften. Im Gegensatz hierzu habe der BFH mit Beschluß vom 31. Januar 1961 I 58/59 U (BFHE 72, 468, BStBl III 1961, 171) entschieden, daß eine Kapitalgesellschaft, die während eines schwebenden Steuerprozesses im Handelsregister gelöscht werde, nicht mehr parteifähig sei und damit das Verfahren unterbrochen werde. Die GmbH & Co. KG, deren Komplementärin die gelöschte GmbH gewesen sei, sei entgegen der Ansicht des FG infolge der Löschung wegen fehlender Gesellschaftsmittel nicht mehr existent gewesen. Mit der Löschung sei auch die Vertretungsbefugnis des Liquidators erloschen. Somit hätte das FG den Prozeß gemäß §§ 56, 241 ZPO unterbrechen müssen.

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Die Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin sei auch ermessensfehlerhaft. Das FA habe weder im Haftungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung die jetzt in § 219 AO 1977 geregelte Subsidiarität des Haftungsanspruchs beachtet. Das laut Protokoll der mündlichen Verhandlung vom Vorsitzenden des FG verlesene Vermögensverzeichnis des Steuerschuldners H vom 1. März 1977 habe das FA erst später auf Veranlassung der Klägerin erstellen lassen. Eine rechtzeitige Vollstreckung in das Geschäfts- und Privatvermögen des H hätte aber zu einer Befriedigung der Ansprüche des FA geführt. Das gehe schon daraus hervor, daß laut Sitzungsprotokoll vom 1. September 1979 zugunsten einer anderen Gläubigerin wegen ca. 20 000 DM bei dem Steuerschuldner H gepfändet worden sei. Den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils sei nicht zu entnehmen, ob das FG die Ermessensausübung des FA bei der Inanspruchnahme der Klägerin ausreichend gerprüft habe.

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Ferner werde gerügt, daß die im Streitfall anwendbare Haftungsvorschrift des § 116 AO nicht die in § 419 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und § 75 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 geregelte dingliche Beschränkung der Haftung auf den Bestand des übernommenen Vermögens enthalte. Insofern liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Dem Gesetzgeber sei offensichtlich bei der Fassung des § 75 AO 1977 bewußt gewesen, daß § 116 AO aus rechtlichen Gründen nicht mehr haltbar sei.

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Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise den Haftungsbescheid und den Einspruchsbescheid des FA ersatzlos aufzuheben.

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Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet.

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I.

Die Löschung der Klägerin und deren Komplementär-GmbH während des Klageverfahrens im Handelsregister hatte keinen Einfluß auf ihre Beteiligtenfähigkeit - Parteifähigkeit - (§ 57 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 50 Abs. 1 ZPO, §§ 161 Abs. 2, 124 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Die Vertretungsbefugnis (§ 58 Abs. 2 FGO, § 51 Abs. 1 ZPO) ihres Liquidators, der bereits für die in Liquidation befindliche KG Klage erhoben hatte, blieb bestehen. Das FG hat zu Recht keine Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 155 FGO, §§ 56, 241 Abs. 1 ZPO angenommen. Der Liquidator blieb auch befugt, für die trotz Löschung fortbestehende Klägerin gegen das Urteil des FG Revision einzulegen.

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1.

Die Fähigkeit einer KG, im gerichtlichen Verfahren über die Anfechtung eines gegen sie ergangenen Steuer- oder Haftungsbescheids als Klägerin aufzutreten, hängt davon ab, ob die Gesellschaft noch fortbesteht oder ob ihre Vollbeendigung eingetreten und sie damit rechtlich untergegangen ist. Zwar erfolgt die Löschung der Firma einer KG im Handelsregister regelmäßig erst dann, wenn die Abwicklung und damit auch die Gesellschaft selbst voll beendet ist (vgl. §§ 161 Abs. 2, 157 Abs. 1 HGB). Das FG hat aber zutreffend ausgeführt, daß die das Erlöschen der Firma bekundende Eintragung im Handelsregister keine konstitutive, sondern lediglich deklaratorische Wirkung hat (Schilling in Großkommentar HGB, § 157 Anm. 10; Urteil in BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467). Die Gesellschaft und damit ihre Beteiligtenfähigkeit in einem Prozeß kann demnach trotz der Löschung fortbestehen, wenn es an einer vollständigen Abwicklung fehlt, die Abwickler also ihre Aufgaben entgegen ihrer Anmeldung zum Handelsregister (§ 157 Abs. 1 HGB) noch nicht vollständig erfüllt haben. Das wird u.a. im allgemeinen dann angenommen, wenn noch ein Prozeß gegen die KG schwebt (vgl. Schilling, a.a.O., § 157 Anm. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 43. Aufl., § 239 Anm. 2 A). Der IV. Senat des BFH hat in BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 647 entschieden, daß die Vollbeendigung einer Gesellschaft jedenfalls solange nicht eintreten kann, als die Gesellschaft noch an einem schwebenden finanzgerichtlichen Verfahren über einen Gewinnfeststellungsbescheid (§ 215 Abs. 2 AO, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977) beteiligt ist. Der Senat folgt der Vorentscheidung darin, daß das auch dann gelten muß, wenn - wie im Streitfall - eine KG sich im Finanzgerichtsprozeß gegen ihre Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin wendet. Die Fortführung dieses Verfahrens kann auch bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft von Bedeutung sein, weil auf diesem Wege Klagen gegen die haftenden Gesellschafter (§§ 161 Abs. 1 und 2, 128, 171 Abs. 1 HGB) vermieden werden können (vgl. Schilling, a.a.O., § 157 Anm. 2). Die Klägerin hat demnach trotz der Löschung ihrer Firma im Handelsregister ihre Beteiligtenfähigkeit weder für das Klageverfahren noch für das vorliegende Revisionsverfahren verloren, weil die Gesellschaft jedenfalls bis zum Abschluß des Prozesses fortbesteht.

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2.

Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der von ihr herangezogene Beschluß in BFHE 72, 468, BStBl III 1961, 171 betrifft eine Kapitalgesellschaft, die gemäß § 2 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften (LöschG) vom 9. Oktober 1934 (RGBl I 1934, 914) wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister von Amts wegen gelöscht worden war. Diese Gesellschaft gilt mit der Löschung als aufgelöst; eine Liquidation findet nicht statt (§ 2 Abs. 1 LöschG). Aber auch hier hat die Löschung keine rechtsgestaltende, sondern nur deklaratorische Wirkung. Stellt sich nach der Löschung heraus, daß noch verteilbares Vermögen vorhanden ist, so lebt die Gesellschaft fort und es findet eine Liquidation statt. Die Liquidatoren sind auf Antrag eines Beteiligten durch das Registergericht zu ernennen (§ 2 Abs. 3 LöschG). Steuerrechtlich wird eine gelöschte GmbH in jedem Falle als fortbestehend angesehen, solange sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat und gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift. Auch ihre Beteiligtenfähigkeit wird durch die Löschung nicht berührt (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1967 I R 144-145/66, BFHE 90, 336, BStBl II 1968, 95; vom 2. Juli 1969 I R 190/67, BFHE 96, 335, BStBl II 1969, 656; vom 26. März 1980 I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587; ebenso der Beschluß in BFHE 72, 468, BStBl III 1961, 171). Die Löschung einer GmbH gemäß § 2 LöschG hat aber zur Folge, daß der bisherige gesetzliche Vertreter (Geschäftsführer, § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) seine Vertretungsbefugnis verliert und die GmbH mangels eines vertretungsberechtigten Organs prozeßunfähig wird. Das gerichtliche Verfahren wird deshalb bis zur Bestellung eines Liquidators (§ 2 Abs. 3 LöschG, § 273 Abs. 4 des Aktiengesetzes - AktG - in entsprechender Anwendung) gemäß §§ 56, 241 Abs. 1 ZPO unterbrochen (vgl. die vorstehend zitierte BFH-Rechtsprechung). Allerdings tritt die Rechtsfolge der Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 246 ZPO dann nicht ein, wenn die Gesellschaft durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (BFHE 90, 336, BStBl II 1968, 95).

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Die vorstehenden Grundsätzen über die Parteifähigkeit und die Prozeßfähigkeit einer gelöschten GmbH finden entgegen der Auffassung der Klägerin auf den Streitfall keine Anwendung, weil es sich bei der Klägerin um eine GmbH & Co. KG i.L. handelt. Wenn auch ihre - vor der Liquidation - geschäftsführende Komplementär-GmbH wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht worden ist, so führt das nicht zum Verlust der Prozeßfähigkeit der Klägerin und zur Unterbrechung des finanzgerichtlichen Verfahrens nach § 155 FGO, § 241 Abs. 1 ZPO. Denn die Klägerin befand sich bei Erhebung der Klage bereits in Liquidation. Sie wurde im Klageverfahren nicht mehr durch die später gelöschte Komplementär-GmbH, sondern durch den zum Liquidator bestellten Geschäftsführer S vertreten (§§ 161 Abs. 2, 149 HGB). Eine Unterbrechung des Klageverfahrens nach § 241 ZPO konnte durch die Löschung der KG oder ihrer Komplementär-GmbH schon deshalb nicht eintreten, weil die Klägerin durch Prozeßbevollmächtigte vertreten war (§ 155 FGO, § 246 Abs. 1 ZPO). Die von ihrem Liquidator erteilte Prozeßvollmacht dauerte selbst dann fort, wenn dieser durch die Löschung der Klägerin seine gesetzliche Vertretungsbefugnis verloren haben sollte (§ 155 FGO, § 86 ZPO).

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Im Revisionsverfahren wird die Klägerin allerdings durch einen anderen Prozeßbevollmächtigten vertreten als im Klageverfahren, so daß die Prozeßvollmacht, die der Liquidator vor der Löschung der Klägerin erteilt hat, für die Revision ohne Rechtswirkung ist. Die Vertretungsbefugnis des Liquidators besteht aber für die nach der Löschung der Klägerin noch erforderlichen Abwicklungsmaßnahmen, zu denen, wie oben ausgeführt, auch die Fortführung des Rechtsstreits mit der Revision gehört, fort. Während bei einer GmbH das Gericht auf Antrag stets Nachtragsliquidatoren neu zu bestellen hat, wenn sich nach der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister weitere Abwicklungsmaßnahmen als notwendig erweisen (§ 2 Abs. 3 LöschG, § 273 Abs. 4 AktG analog), hat ein bestellter Abwickler einer Personengesellschaft (§ 146 Abs. 2 HGB) seine Tätigkeit fortzusetzen, wenn Abwicklungsmaßnahmen notwendig werden, nachdem die Firma im Handelsregister gelöscht worden ist. Das schließt das Fortbestehen seiner Vertretungsbefugnis (§ 149 Abs. 2 HGB) ein (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 21. Juni 1979 IX ZR 69/75, Der Betrieb - DB - 1979, 1597; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 34 AO 1977, Tz. 17 a.E.). Der BGH begründet die unterschiedliche Behandlung bei gelöschten Personengesellschaften gegenüber der gelöschten GmbH damit, daß hier eine analoge Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften fernliege und es wegen der in der Regel besser überschaubaren Verhältnisse nicht derselben Klarheit über die Person der Abwickler durch besonderen Bestellungsakt wie bei der GmbH bedürfe. Daraus folgt, daß der zum Liquidator bestellte S auch nach der Löschung der Klägerin für diese Revision einlegen und dem neuen Prozeßbevollmächtigten hierfür Vollmacht erteilen konnte.

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II.

1.

Das FG hat die gegen den Haftungsbescheid gerichtete Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Die Haftung bestimmt sich im Streitfall nach § 116 Abs. 1 AO, da die Klägerin den haftungsbegründenden Tatbestand - Erwerb eines Unternehmens im ganzen - im Jahre 1975 und damit vor dem 1. Januar 1977 verwirklicht hat (Art. 97 § 11 EGAO 1977). Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin mit der Übernahme des Inventars und ihrem Eintritt in die obligatorische Nutzungsmöglichkeit an den Betriebsräumen die wesentlichen Grundlagen des Café- und Restaurantbetriebs des Vorunternehmers übernommen hat und sie deshalb nach § 116 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO für dessen auf die Jahre 1974 und 1975 entfallende Betriebsteuern und Steuerabzugsbeträge haftet. Daß ein Teil der erworbenen Gegenstände des Inventars noch im Vorbehaltseigentum Dritter stand, schloß deren Übereignung i.S. des § 116 AO nicht aus. Denn in diesem Falle hat der Veräußerer, wenn nicht sogar ein Fall des gutgläubigen Erwerbs (§§ 929, 932 BGB) vorliegt, zumindest sein Anwartschaftsrecht übertragen. Es genügt für die Begründung des Haftungstatbestands, daß ein dem Rechtsvorgänger zustehendes eigentümerähnliches Herrschaftsverhältnis auf den Erwerber übergeht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16. März 1982 VII R 105/79, BFHE 135, 239, BStBl II 1982, 483; Tipke/Kruse, a.a.O., § 75 AO 1977, Tz. 8). Der Senat ist an die tatsächliche Würdigung des FG gebunden, daß der Betrieb mit dem erworbenen Inventar auch ohne die vorgenommenen Ergänzungsanschaffungen hätte fortgeführt werden können und daß der - zurückbehaltene - Warenbestand nicht zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens zählte (§ 118 Abs. 2 FGO). Gegen diese Feststellungen sind Verfahrensrügen nicht erhoben worden und Verstöße gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze sind insoweit nicht ersichtlich. Die Würdigung der Vorinstanz, daß der Mietvertrag der Klägerin über die betriebsnotwendigen Gaststättenräume im einvernehmlichen Zusammenwirken des Vorunternehmers und des Grundstückseigentümers (Vermieters) zustande gekommen ist (vgl. Urteil des Senats in BFHE 135, 239, BStBl II 1982, 483, 485), begegnet im Hinblick darauf, daß der Abschluß des Mietvertrages zur Bedingung des Kaufvertrages gemacht worden ist und der Kaufpreis für das Inventar zur Tilgung von Verbindlichkeiten des Betriebsveräußerers an den Vermieter zu zahlen war, keinen Bedenken. Die Klägerin hat gegen die vorstehende Begründung des Haftungstatbestandes durch das FG keine Einwendungen erhoben.

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2.

Mit der Revision rügt die Klägerin lediglich einen Verstoß der Haftungsvorschrift des § 116 AO gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil diese im Gegensatz zu § 75 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 und § 419 Abs. 2 Satz 1 BGB die Haftung nicht auf den Bestand des übernommenen Vermögens beschränke, und einen Ermessensfehler bei ihrer Inanspruchnahme, weil das FA die Subsidiarität des Haftungsanspruchs nicht beachtet habe. Beide Rügen greifen nicht durch.

22

a)

Wenn der Gesetzgeber die Haftung des Betriebsübernehmers nach neuem Recht (§ 75 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) in Anlehnung an § 419 Abs. 2 Satz 1 BGB auf den Bestand des übernommenen Vermögens beschränkt hat, so können daraus für den Streitfall, auf den noch die alte Haftungsnorm des § 116 AO Anwendung findet, die diese Haftungsbeschränkung nicht enthält, keine Rechtsfolgen hergeleitet werden. Es entspricht der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, eine Haftungsvorschrift mit Wirkung von einem bestimmten Zeitpunkt an dahin abzuändern, daß sie sich mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung günstig für den Haftungsschuldner auswirkt. In der unterschiedlichen Behandlung der unter die alte und der unter die neue Regelung fallenden Haftungsfälle liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), weil sich die zu beurteilenden Sachverhalte hinsichtlich ihres zeitlichen Anknüpfungspunktes unterscheiden und demgemäß unterschiedliche Gesetze Anwendung finden. Ein Vergleich des § 116 AO mit § 419 BGB ist, wie das FA zutreffend ausführt, deshalb unangebracht, weil beide Vorschriften unterschiedliche Sachverhalte regeln. Während § 419 BGB die Haftung an die Übernahme des Vermögens knüpft und deshalb die gegenständliche Beschränkung der Haftung auf das übernommene Vermögen naheliegt, ist im Falle des § 116 AO die fortbestehende wirtschaftliche Kraft des übernommenen Unternehmens als lebender Organismus der eigentliche Haftungsgrund (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 75 AO 1977, Tz. 1).

23

b)

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der jetzt in § 219 Satz 1 AO 1977 geregelte Grundsatz der Subsidiarität der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners gegenüber dem Steuerschuldner bereits unter der Geltung der AO im Rahmen der bei der Haftung zu treffenden Ermessensentscheidung (§ 118 AO) zu berücksichtigen war (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 219 AO 1977, Tz. 1 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH). Es hat den besonderen Grund, der im Streitfall die Haftbarmachung der Klägerin vor der Heranziehung des Steuerschuldners rechtfertigte (vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1973 II R 57/71, BFHE 109, 164, BStBl II 1973, 573), darin gesehen, daß sich aus dem in der mündlichen Verhandlung verlesenen Vermögensverzeichnis des Vorunternehmers ergebe, daß die Vollstreckung in dessen Vermögen erfolglos gewesen wäre. Diese Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA durch das FG (vgl. § 102 FGO) ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

24

Das Vermögensverzeichnis des Steuerschuldners ist zwar auf Veranlassung des FA, wie die Klägerin zutreffend vorträgt, erst am 1. März 1977 und damit nach Ergehen des Haftungsbescheids vom August 1976 erstellt worden. Das FA konnte aber aus ihm Folgerungen für die Ermessensausübung in der Einspruchsentscheidung ziehen, da diese nach den Feststellungen der Vorentscheidung erst am 28. Mai 1977 ergangen ist. Es reicht aus, wenn die Ermessensentscheidung der Verwaltung erst in der Einspruchsentscheidung getroffen und - soweit erforderlich - dort begründet wird (§§ 121 Abs. 1, 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO 1977), denn Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung auch im Rahmen des § 102 FGO ist bei der Anfechtungsklage der Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat (§ 44 Abs. 2 FGO).

25

Das FA hat am Schluß seiner Einspruchsentscheidung vom Mai 1978 ausgeführt, daß Versuche der beteiligten FÄ, gegen den Veräußerer zu vollstrecken, bisher erfolglos verlaufen seien. Der Senat ist nicht gehindert, den Inhalt der Einspruchsentscheidung für seine Entscheidung zu verwerten, weil diese im Urteil des FG in Bezug genommen und somit gemäß § 118 Abs. 2 FGO "festgestellt" worden ist. Weiterhin ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung, auf das die Vorentscheidung ebenfalls Bezug nimmt, daß dem FA im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung ein im Wege der Amtshilfe erteilte Vermerk der Vollstreckungsstelle des FA vom 15. März 1977 vorlag, wonach der Steuerschuldner H seit August 1975 arbeitslos war. Aufgrund dieses Vermerks und des ihm ebenfalls vorliegenden Vermögensverzeichnisses, aus dem sich keine Vollstreckungsmöglichkeiten ergaben, konnte das FA in der Einspruchsentscheidung ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangen, daß eine Heranziehung des Steuerschuldners aussichtslos und deshalb die Inanspruchnahme der Haftungsschuldnerin geboten sei. Wenn die Klägerin demgegenüber mit der Revision vorträgt, aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich, daß eine rechtzeitige Vollstreckung gegen den Steuerschuldner erfolgreich gewesen wäre, weil auch für eine andere Gläubigerin bei diesem gepfändet worden sei, so führt das nicht zu einer anderen Beurteilung der Ermessensentscheidung des FA. Denn die Klägerin stützt sich mit ihrer Behauptung auf eine Aussage ihres früheren Geschäftsführers und Liquidators in der mündlichen Verhandlung vor dem FG über einen Pfändungsvorgang, den dieser von einem Dritten erfahren haben wollte, über dessen Erfolg er nichts aussagen konnte und der, selbst wenn er zutreffend sein sollte, dem FA bei seiner Ermessensentscheidung offensichtlich nicht bekannt war.