Rechtsmißbrauch; Zwischenschaltung von Basisgesellschaften; Niedrig besteuertes Ausland; Freie Beweiswürdigung; Steuerumgehungsabsicht; Keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Köln

Rechtsgrundlagen:

§ 6 Abs. 1 StAnpG

Art. 6 Abs. 3 DBA-Schweiz 1931

§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO

Fundstellen:

BFHE 146, 158 - 164

BStBl II 1986, 496

Amtlicher Leitsatz:

1. Bei der Prüfung, ob eine rechtsmißbräuchliche Zwischenschaltung von Basisgesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1980 VIII R 11/77, BFHE 132, 198, BStBl II 1981, 339) vorliegt, erlaubt der Sitz der Basisgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland dann nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung den Rückschluß auf eine bestehende Steuerumgehungsabsicht, wenn für die Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und die Basisgesellschaft keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet.

2. Hat eine zwischengeschaltete ausländische Gesellschaft eine eigenständige erwerbswirtschaftliche Funktion und kommt sie dieser Funktion nach, so sind in der Regel bestimmte Einkunftsteile oder Vermögensgegenstände der ausländischen Gesellschaft nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs einem hinter ihr stehenden Gesellschafter zuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn die Einkunftsteile oder Vermögensgegenstände in keinem objektiven Zusammenhang zu der erwerbswirtschaftlichen Funktion der Gesellschaft stehen.

3. Etwas anderes gilt nur, wenn die aktive wirtschaftliche Betätigung im Verhältnis zu dem sog. passiven Erwerb von völlig untergeordneter Bedeutung ist oder wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, die die Verbindung der aktiven wirtschaftlichen Betätigung mit dem passiven Erwerb ausnahmsweise als Mißbrauch erscheinen lassen.

Tatbestand:

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine im Jahre 1962 gegründete Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die in den Streitjahren 1967 bis 1971 aus dem Besitz von Aktien inländischer Aktiengesellschaften dem Kapitalertragsteuerabzug unterworfene Dividenden bezog. Gesellschafter der Klägerin waren die Eheleute A.

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Die Klägerin wurde mit einem Stammkapital von 0,8 Mio. sfr gegründet. Hierauf übernahm der Ehemann als Anteilseigner eine Stammeinlage von 0,78 Mio. sfr und die Ehefrau eine solche von 20 000 sfr. Die Klägerin erwarb nach ihrer Gründung von ihren Gesellschaftern Wertpapiere zum Kaufpreis von 0,68 Mio. DM. Der Kaufpreis entsprach dem damaligen Nominalwert der Wertpapiere. Der Kurswert lag bei 2,5 Mio. DM. Die Wertpapiere wurden bei einer schweizerischen Bank deponiert.

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Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war der Erwerb sowie das Halten und Verwalten von Beteiligungen an in- und ausländischen Gesellschaften, die Finanzierung von solchen Gesellschaften sowie der An- und Verkauf von Wertschriften jeder Art, einschließlich des Erwerbs und der Veräußerung von Immobilien. Bis 1967 einschließlich verwaltete die Klägerin nur Wertpapiere. Im Jahre 1968 pachtete sie von ihrem Gesellschafter ein Hotel in Y (Schweiz). Seit dem 1. Mai 1968 führte sie dieses Hotel im eigenen Namen. Außerdem erwarb sie im Jahre 1968 von ihrem Gesellschafter die "Villa ..." in Z (Schweiz), renovierte und erweiterte sie und nutzte sie anschließend als Mietwohnhaus. In den Jahren 1968 bis 1971 schichtete die Klägerin ihren Wertpapierbesitz um. Die Aktien an inländischen Gesellschaften wurden verkauft und durch solche an ausländischen Gesellschaften ersetzt.

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Geschäftsführer der Klägerin war zunächst der schweizerische Staatsangehörige B, der noch für über 50 andere Gesellschaften als Geschäftsführer, Verwaltungsrat u. ä. beschäftigt war. Im Jahre 1970 verlegte die Klägerin ihren Sitz von X nach Y. Geschäftsführer wurden nunmehr die schweizerischen Staatsangehörigen C und D. C war im Hauptberuf Zweigstellenleiter einer schweizerischen Bank. D war der Geschäftsführer des Hotels. Heute ist C alleiniger und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin.

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In den Jahren 1967 bis 1971 bezog die Klägerin aus ihren Aktien an inländischen Gesellschaften Dividenden, von denen 25 v. H. Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt wurde. Die Klägerin beantragte bei den ursprünglich zuständigen Finanzämtern (FÄ) die Erstattung von Kapitalertragsteuer gemäß Art. 6 Abs. 3 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 i. d. F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 - DBA-Schweiz 1931/59 - (BGBl II 1959, 1253, BStBl I 1959, 1006). Die FÄ lehnten die Anträge ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Bundesamt für Finanzen - BfF -) wiederholte nach dem Übergang der Zuständigkeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes i. d. F. vom 30. August 1971 - FVG -, BGBl I, 1426) auf das BfF teilweise die Ablehnung durch Verfügung vom 28. Januar 1972. Die Einsprüche der Klägerin blieben ohne Erfolg.

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Auf die Klage der Klägerin hob das Finanzgericht (FG) die Ablehnungsbescheide auf und verpflichtete das BfF, Kapitalertragsteuer in Höhe von ... DM an die Klägerin zu erstatten.

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Mit der Revision rügt das BfF die unrichtige Anwendung des § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG).

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Es beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Köln aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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1. Das FG hat den von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruch zutreffend gemäß Art. 6 Abs. 3 DBA-Schweiz 1931/59 beurteilt. Nach dieser Bestimmung sind einem in der Schweiz ansässigen Gläubiger von Dividenden die im Abzugswege in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) erhobenen Steuern zu erstatten, soweit sie 15 v. H. der Dividenden übersteigen. Die Frage, welche Person eine Dividende erzielt, ist nicht nach zivilrechtlichen, sondern nach steuerrechtlichen Zurechnungsvorschriften zu beurteilen. Dies ergibt sich aus dem Zweck und der Funktion des Art. 6 Abs. 3 DBA-Schweiz 1931/59. Die Bestimmung soll eine Besteuerungsfolge einschränken, die sich jeweils aus den nationalen Steuerrechtsordnungen der beiden Vertragsstaaten ergibt. Gerade deshalb muß sie auch bei der Zurechnung durch die maßgebende Steuerrechtsordnung des betroffenen Vertragsstaates ansetzen.

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2. Das FG hat zutreffend die Gläubigerstellung der Klägerin unter Heranziehung des § 6 StAnpG beurteilt. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß § 6 StAnpG auch im Bereich von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zum Zuge kommen kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Juli 1968 I 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695; vom 21. Mai 1971 III R 125-127/70, BFHE 102, 555, BStBl II 1971, 721; Beschluß vom 7. Februar 1975 VIII B 61-62/74, BFHE 119, 118, BStBl II 1976, 608). Bezogen auf das DBA-Schweiz 1931/59 rechtfertigt sich die Anwendung des § 6 StAnpG nicht zuletzt mit Rücksicht auf die von der Schweiz einseitig getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung ungerechtfertigter Inanspruchnahmen der DBA des Bundes (vgl. den Beschluß des Bundesrates vom 14. Dezember 1962 betreffend Maßnahmen gegen die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von DBA des Bundes, AS 1962, 1622). Die einseitigen Maßnahmen bedeuten, daß jedenfalls die Schweiz das DBA-Schweiz 1931/59 unter Einbeziehung nationaler Mißbrauchsvorschriften auslegt. Entsprechendes muß für die Anwendung des DBA-Schweiz 1931/59 in der Bundesrepublik gelten.

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3. Das FG hat jedoch § 6 Abs. 1 StAnpG unzutreffend ausgelegt. Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 29. Januar 1975 I R 135/70, BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553; vom 29. Juli 1976 VIII R 142/73, BFHE 120, 116, BStBl II 1977, 263; vom 9. Dezember 1980 VIII R 11/77, BFHE 132, 198, BStBl II 1981, 339) erfüllt die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH im niedrig besteuernden Ausland den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs, wenn für ihre Einschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten. Diese Rechtsprechung, an der der Senat festhält, bedeutet entgegen der Auffassung des FG nicht, daß auf die Feststellung der Steuerumgehungsabsicht verzichtet würde. Vielmehr ist die Steuerumgehungsabsicht, die sich als Tatbestandsmerkmal aus der Erwähnung des Mißbrauchs in § 6 Abs. 1 StAnpG ergibt, ein subjektives Merkmal. Subjektive Tatbestandsmerkmale haben die Besonderheit, daß sie nicht unmittelbar feststellbar sind. Vielmehr muß auf sie von objektiv feststellbaren Umständen rückgeschlossen werden. Daraus folgt jedoch nicht, daß an die Feststellung einer Steuerumgehungsabsicht höhere Nachweisanforderungen zu stellen sind als an die anderer Tatbestandsmerkmale. Vielmehr gilt auch insoweit der Grundsatz des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, daß das FG über das Vorhandensein einer Steuerumgehungsabsicht in freier Beweiswürdigung entscheidet. Die oben genannte höchstrichterliche Rechtsprechung bedeutet deshalb nur, daß nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung die Zwischenschaltung einer Basisgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland regelmäßig den Rückschluß auf eine bestehende Steuerumgehungsabsicht erlaubt, wenn für die Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und die Basisgesellschaft keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Die entsprechende Vermutung geht auf die Überlegung zurück, daß die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft auf irgendwelchen Absichten der Gesellschafter beruhen muß. Andernfalls würden diese die Kosten und Mühen, die mit der Gründung und Zwischenschaltung regelmäßig verbunden sind, nicht auf sich nehmen. Sind die mit der Zwischenschaltung verfolgten Ziele erwerbswirtschaftlicher Natur oder liegen andere Gründe vor, die die Zwischenschaltung rechtfertigen und nahelegen, dann ist sie auch steuerlich anzuerkennen, wenn die ausländische Gesellschaft eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Machen dagegen die vorgegebenen Ziele die Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft nicht plausibel und liegt der Sitz im niedrig besteuernden Ausland, so rechtfertigen beide Umstände zusammengenommen die Annahme, daß die Zwischenschaltung ausschließlich der Umgehung der Besteuerung im Inland dient. Die entsprechende Vermutung beläßt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit darzulegen, weshalb sein Fall abweichend von der Regel zu beurteilen ist.

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4. Nach den vom FG in tatsächlicher Hinsicht getroffenen und mit Revisionsrügen nicht angefochtenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) war die Zwischenschaltung der Klägerin zumindest für die Zeit bis zum 30. April 1968 einschließlich rechtsmißbräuchlich i. S. des § 6 Abs. 1 StAnpG. Die vom FG festgestellten und für die Zwischenschaltung der Klägerin maßgeblichen Gründe sind - soweit sie sich auf die Zeit bis zum 30. April 1968 beziehen - weder erwerbswirtschaftlicher Natur noch aus anderen Gründen steuerlich beachtlich. Der Zweck, durch einen qualifizierten schweizerischen Bankfachmann gute Beteiligungen an schweizerischen Gesellschaften zu sondieren und zu erwerben, kann die Zwischenschaltung der Klägerin schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Klägerin diesem Zweck nicht nachgekommen ist. Sie hat in der Zeit bis zum 30. April 1968 keine Beteiligung an einer schweizerischen Gesellschaft erworben. Sie sondierte lediglich den Erwerb je einer Beteiligung an einer schweizerischen und an einer französischen Gesellschaft für ihren Hauptgesellschafter, der beide Beteiligungen letztlich auch erwarb. Es kommt hinzu, daß die Klägerin nicht geltend gemacht hat, einen Konzern im Ausland aufbauen zu wollen, der die Ausübung geschäftsleitender Funktionen erforderlich machte (vgl. dazu BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553; BFHE 120, 116, BStBl II 1977, 263; BFHE 132, 198, BStBl II 1981, 339). Aus der Sicht der die Klägerin gründenden Gesellschafter legte aber der bloße Erwerb von Beteiligungen an schweizerischen Gesellschaften die Zwischenschaltung der Klägerin nicht ohne weiteres nahe. Die Gesellschafter hätten auch unmittelbar einen qualifizierten schweizerischen Bankfachmann mit der Sondierung des Erwerbs von Beteiligungen beauftragen können.

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Der Zweck, das beträchtliche Vermögen der hinter der Klägerin stehenden Gesellschafter für etwaige Krisenzeiten zu sichern, macht die Zwischenschaltung der Klägerin ebenfalls nicht plausibel. Den Gesellschaftern der Klägerin stand es frei, ihr Wertpapiervermögen von einer schweizerischen Bank verwalten zu lassen, falls sie näher nicht konkretisierte Krisensituationen befürchteten. Entsprechend legte der vorgegebene Sicherungszweck nur die Verlagerung des Vermögens ins Ausland nahe, was keine weiteren steuerlichen Folgen nach sich gezogen hätte. Der behauptete Zweck erklärt jedoch nicht die Vermögensübertragung auf die Basisgesellschaft. Nichts anderes gilt letztlich für die angebliche Absicht der Sicherung des Vermögens vor Verflüssigung im Erbfall. Auch dieses Ziel kann mit der Vermögensübertragung auf eine ausländische Basisgesellschaft vernünftigerweise nicht realisiert werden. Vielmehr könnten die Erben der Gesellschafter der Klägerin die Basisgesellschaft jederzeit liquidieren und das Vermögen an sich selbst auskehren. Damit deuten sowohl der Sitz der Klägerin in der Schweiz als auch deren fehlende erwerbswirtschaftliche Betätigung auf die Absicht der Gesellschafter hin, das Wertpapiervermögen zur Umgehung der inländischen Besteuerung auf die Klägerin zu übertragen. An dieser Vermutung ändert die durchgeführte Umschichtung des Wertpapiervermögens nichts. Diese Umschichtung berührt den Zweck der Zwischenschaltung nicht, weil die Gesellschafter die Umschichtung in gleicher Weise hätten persönlich durchführen können. Außerdem begründet die Umschichtung keine wirtschaftliche Betätigung der Klägerin. Damit ist das Wertpapiervermögen der Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 StAnpG für die Zeit bis zum 30. April 1968 den Gesellschaftern zuzurechnen. Entsprechend war die Klägerin nicht Gläubigerin i. S. des Art. 6 Abs. 3 DBA-Schweiz 1931/59. Damit war sie auch nicht Inhaberin eines Erstattungsanspruchs, den sie mit der Klage gegen das BfF verfolgen könnte.

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5. Für die Zeit ab dem 1. Mai 1968 ergibt sich allerdings eine andere Beurteilung, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt das Hotel in Y im eigenen Namen und für eigene Rechnung betrieb. Damit ging sie einer eigenen erwerbswirtschaftlichen Betätigung nach. Ab diesem Zeitpunkt ist die Zwischenschaltung der Klägerin auch steuerlich anzuerkennen. § 6 Abs. 1 StAnpG findet keine Anwendung.

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Hat eine zwischengeschaltete ausländische Gesellschaft eine eigenständige erwerbswirtschaftliche Funktion und kommt sie dieser Funktion nach, so besteht im Regelfall steuerrechtlich keine Möglichkeit, bestimmte Einkunftsteile oder Vermögensgegenstände der ausländischen Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt des § 6 Abs. 1 StAnpG einem hinter ihr stehenden Gesellschafter zuzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn die Einkunftsteile oder Vermögensgegenstände in keinem objektiven Zusammenhang zu der erwerbswirtschaftlichen Funktion der Gesellschaft stehen. Das Fehlen einer wirtschaftlichen Funktion der ausländischen Gesellschaft ist neben deren Ansässigkeit im niedrig besteuernden Ausland der entscheidende Anhaltspunkt, um auf das Vorhandensein einer Steuerumgehungsabsicht rückschließen zu können. Deshalb fehlt es an einer für den Rückschluß wesentlichen Voraussetzung, wenn die ausländische Gesellschaft eine eigenständige wirtschaftliche Funktion besitzt. Eine aktive ausländische Gesellschaft kann durchaus zusätzlich Einkünfte aus passivem Erwerb erzielen, ohne deshalb steuerrechtlich dem Mißbrauchsvorwurf ausgesetzt zu sein. Es ist grundsätzlich Sache der ausländischen Gesellschaft zu entscheiden, wie sie eine im Gesellschaftsvertrag vorgegebene wirtschaftliche Funktion ausfüllt und ob bzw. in welcher Weise sie sie durch weitere Funktionen ergänzt. Die entsprechende Entscheidung ist schon deshalb steuerrechtlich anzuerkennen, weil die ausländische Gesellschaft auch mit ihrem dem passiven Erwerb dienenden Vermögen für Risiken einzustehen hat, die sich aus ihrer aktiven wirtschaftlichen Betätigung ergeben. Aus diesem Grunde kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Gesellschaft dem passiven Erwerb schon vor oder erst nach Ausübung einer eigenständigen wirtschaftlichen Funktion nachging. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die aktive wirtschaftliche Betätigung im Verhältnis zu dem sog. passiven Erwerb von völlig untergeordneter Bedeutung ist oder wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, die die Verbindung der aktiven wirtschaftlichen Betätigung mit dem passiven Erwerb ausnahmsweise als Mißbrauch erscheinen lassen.

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Die hier vertretene Auffassung entspricht auch der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. In den Urteilen in BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553, BFHE 120, 116, BStBl II 1977, 263 und BFHE 132, 198, BStBl II 1981, 339 wird nur darauf abgestellt, ob die ausländische Gesellschaft aus wirtschaftlichen oder aus sonstigen steuerlich beachtlichen Gründen errichtet wurde und ob sie eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet hat. Dagegen wurde nicht als entscheidungserheblich angesehen, ob das verwaltete Vermögen insgesamt einer ausgeübten aktiven Tätigkeit dient. Soweit das BfF eine andere Auffassung aus dem BFH-Urteil vom 7. März 1974 IV R 196/72 (BFHE 111, 522, BStBl II 1974, 383) ableitet, ist die zitierte Entscheidung nicht einschlägig. In ihr hat der IV. Senat des BFH nicht über Fragen der persönlichen Zurechnung, sondern über die Abgrenzung freiberuflicher Einkünfte zu gewerblichen entschieden. Der Streitfall macht eine Entscheidung über letztere Frage nicht notwendig.

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6. Das FG ist von einer anderen Auslegung des § 6 Abs. 1 StAnpG ausgegangen. Die andere Rechtsauffassung ist entscheidungserheblich. Deshalb ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Zwar ist das Betreiben eines Hotels in aller Regel keine wirtschaftliche Betätigung von völlig untergeordneter Bedeutung. Es sind jedoch tatsächliche Feststellungen zur Prüfung der Frage zu treffen, ob die Verbindung des Hotelbetriebes mit der Wertpapierverwaltung im Streitfall ausnahmsweise mißbräuchlich i.S. des § 6 Abs. 1 StAnpG ist. Verneinendenfalls ist weiter festzustellen, welche Dividendenzahlungen auf die Zeit vor dem 1. Mai 1968 entfallen. Das FG wird diese Feststellungen zu treffen haben. Zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung wird die Sache deshalb an das FG zurückverwiesen.

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7. Im zweiten Rechtszug wird das FG ggf. beachten müssen, daß zu den Ansprüchen aus einem Steuerschuldverhältnis gemäß § 37 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auch Steuererstattungsansprüche gehören. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist über Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch Steuerbescheid zu befinden. Ggf. ist deshalb im Urteil des FG die Verpflichtung des BfF auszusprechen, einen Steuerbescheid über zu erstattende Kapitalertragsteuer zu erlassen.