Angemessenheit von Aufwendungen; Größe des Unternehmens; Höhe von Umsatz und Gewinn; Repräsentationsaufwand

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Hamburg

Rechtsgrundlage:

§ 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG

Fundstellen:

BFH/NV 1987, 91-92

BStBl II 1986, 904

Amtlicher Leitsatz:

Bei der Prüfung der Angemessenheit von Aufwendungen i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG sind neben der Größe des Unternehmens und der Höhe von Umsatz und Gewinn vor allem die Bedeutung des Repräsentationsaufwandes für den Geschäftserfolg als Beurteilungskriterien heranzuziehen.

Tatbestand:

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Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger ist seit 1974 als Unternehmensberater selbständig tätig. Er berät vor allem Großunternehmen in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Einstellung von Führungspersonal. Die Klägerin war als Sekretärin des Klägers tätig.

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In der Bilanz zum 31. Dezember 1978 wies der Kläger seine Büroausstattung mit einem Betrag in Höhe von 46 609 DM aus. In diesem Betrag waren u. a. ein Orientteppich (Größe 4,35 m mal 3,21 m), den der Kläger Ende 1975 für 23 200 DM erworben hatte, und eine Orientbrücke (Größe 1,96 m mal 1,37 m), die er im Jahre 1978 für 8 179,92 DM angeschafft hatte, enthalten. Beide Wirtschaftsgüter schrieb der Kläger auf eine Nutzungsdauer von 15 Jahren ab. Die Teppiche lagen in dem im eigenen Einfamilienhaus untergebrachten Büro des Klägers. Dieses bestand aus einem Chefzimmer, einem Sekretariat und einem Vorraum, in dem die Besucher warteten. Die Besucher gelangten durch das Sekretariat in das Chefzimmer des Klägers. Das Chefzimmer war mit einer Ledergarnitur, einem Schreibtisch, Sideboards und einem Besuchertisch ausgestattet. Der Orientteppich lag im Chefzimmer und die Orientbrücke in dem "korridorartigen tristen Durchgang" des Sekretariats zum Chefzimmer.

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Nach einer Außenprüfung hielt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Anschaffungskosten für den Orientteppich nur in Höhe von 7 000 DM und für die Orientbrücke nur in Höhe von 2 000 DM für angemessen. Er kürzte die AfA-Beträge der Streitjahre entsprechend. Die geänderten Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1978 datieren vom 12. März 1981. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

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Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 4 Abs. 5 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

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Es beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 26. November 1982 III 104/81 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -)

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1. Das FG hat zutreffend das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG nicht auf die Anschaffungskosten der Orientteppiche, sondern auf die jährlichen AfA-Beträge bezogen. Nach der Vorschrift dürfen Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, den Gewinn nicht mindern, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind. Aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt, daß das dort verankerte Abzugsverbot nur dann eingreift, wenn ohne Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG ein Abzug der Aufwendungen als Betriebsausgaben möglich wäre. Dies ist jedoch bezüglich der Anschaffungskosten des Klägers für die Orientteppiche nicht der Fall. Diese sind für den Kläger Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, weil sie schon im Zeitpunkt ihrer Anschaffung dazu bestimmt waren, den betrieblichen Zwecken des Klägers auf Dauer zu dienen. Ein bilanzierender Steuerpflichtiger muß jedoch die Anschaffungskosten für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, soweit sie 800 DM übersteigen (§ 6 Abs. 2 EStG) und sich die Nutzung des Wirtschaftsgutes über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EStG), aktivieren. Das Aktivierungsgebot beinhaltet gleichzeitig ein Abzugsverbot der Anschaffungskosten als Betriebsausgaben. Die Anschaffungskosten für die Orientteppiche können deshalb schon aufgrund des Aktivierungsgebotes nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, ohne daß es insoweit auf die Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG ankommen könnte.

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2. Allerdings können bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der (hier:) Anschaffungskosten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG abgesetzt werden, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (Absetzung für Abnutzung - AfA - in gleichen Jahresbeträgen). Die AfA gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG ist ebenfalls unter den Begriff der Aufwendungen i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG zu fassen (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 4 Anm. 102 c; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 4 EStG Anm. 1702). Dies ergibt sich aus der Tatsache, daß das EStG den Begriff "Aufwendungen" als Oberbegriff für "Ausgaben" und "Aufwand" verwendet und ihn im Sinne aller Wertabflüsse versteht, die nicht Entnahmen sind (vgl. Tipke, Steuerrecht, 10. Aufl., S. 211). Deshalb dürfen AfA-Beträge, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen berühren, gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG den Gewinn nicht mindern, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind.

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3. Aufwendungen berühren die Lebensführung eines Steuerpflichtigen, wenn sie durch dessen persönliche Motive mitveranlaßt sind, ohne daß deshalb die betriebliche Veranlassung zu verneinen wäre (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Juni 1975 VIII R 225/72, BFHE 117, 195, BStBl II 1976, 97). Da § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG dem Ziel dient, unangemessenen betrieblichen Repräsentationsaufwand nicht gewinnmindernd bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen, ist eine Berührung mit der Lebensführung des Steuerpflichtigen insbesondere für Aufwendungen in dessen repräsentativem Bereich anzunehmen. Dazu gehören nicht nur Aufwendungen für PKW (vgl. BFH-Urteile von 2. Februar 1979 III R 50-51/78, BFHE 127, 297, BStBl II 1979, 387, und III R 89/78, BFHE 130, 100, BStBl II 1980, 340) und Reiseaufwendungen schlechthin (vgl. BFH-Urteile vom 4. August 1977 IV R 157/74, BFHE 123, 158, BStBl II 1978, 93, und vom 27. Februar 1985 I R 20/82, BFHE 143, 440, BStBl II 1985, 458), sondern grundsätzlich auch Aufwendungen für eine Büroeinrichtung des Steuerpflichtigen.

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4. Die in § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG für Betriebsausgaben, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, geforderte Angemessenheitsprüfung besteht zu einem wesentlichen Teil aus Würdigungen tatsächlicher Art. Soweit gegenüber solchen Würdigungen des FG keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht wurden, ist die Prüfungsbefugnis des BFH als Revisionsgericht darauf beschränkt, ob sie möglich waren (§ 118 Abs. 2 FGO). Es genügt mit anderen Worten, daß das FG zu den von ihm vorgenommenen Würdigungen kommen konnte. Es ist nicht erforderlich, daß es zu ihnen kommen mußte (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Anm. 55, m. w. N.). Rechtlicher Art ist lediglich der von § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG vorgegebene Maßstab für die Angemessenheitsprüfung. Vom BFH kann deshalb in vollem Umfang nur nachgeprüft werden, ob das FG von einem zutreffenden Maßstab ausgegangen ist. Jedoch läßt die Vorentscheidung in dieser Hinsicht keinen Rechtsfehler erkennen.

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5. In seinem Urteil in BFHE 143, 440, BStBl II 1985, 458 hat der erkennende Senat entschieden, daß bei der Prüfung der Angemessenheit von Aufwendungen i. S. des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG 1969 (heute: § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG) darauf abzustellen ist, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls auf sich genommen haben würde. Der Senat hält an dieser Auffassung fest. Nach ihr sind bei der Angemessenheitsprüfung alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Neben der Größe des Unternehmens, der Höhe des längerfristigen Umsatzes und des Gewinns sind vor allem die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben als Beurteilungskriterien heranzuziehen. Es ist auch der Grad der Berührung der privaten Lebenssphäre des Steuerpflichtigen oder anderer Personen zu beachten, weil betrieblich veranlaßte Aufwendungen, die nicht die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, in voller Höhe als Betriebsausgaben absetzbar sind. Daraus folgt, daß Aufwendungen um so weniger als unangemessen i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG qualifiziert werden können, je stärker die Berührung mit der Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen hinter der betrieblichen Veranlassung zurücktritt.

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6. Das FG hat diese Maßstäbe der Angemessenheitsprüfung nicht verkannt. Es ist von einer Erforschung der Motive des Klägers für die Anschaffung der Orientteppiche ausgegangen und hat insbesondere auf das wirtschaftliche Betriebsgebaren des Klägers sowie auf die Notwendigkeit, die Zweckmäßigkeit, die Üblichkeit und die Verhältnismäßigkeit der Teppiche als Teil einer Büroeinrichtung abgestellt. Dabei ist es zu der dem Bereich der Tatsachenwürdigung zuzuordnenden Auffassung gelangt, daß die Anschaffung der Teppiche für den Kläger objektiv zweckmäßig und ihrer Höhe nach üblich und verhältnismäßig war. Die Zweckmäßigkeit, Üblichkeit und Verhältnismäßigkeit der Anschaffungen hat es aus der Tatsachenfeststellung abgeleitet, daß der Kläger Großunternehmen bei der Einstellung hochqualifizierten Führungspersonals sowie in Fragen des Marketings und des Vertriebes beraten und dabei mit einem gehobenen äußeren Rahmen für eine qualifizierte und erfolgreiche Beratung geworben habe. Die Überlegungen des FG lassen den Schluß zu, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer angesichts der erwarteten Vorteile die Aufwendungen in einer vergleichbaren Situation als wirtschaftlich sinnvoll auf sich genommen haben würde.

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7. Die vom FA gegen diese Würdigung vorgetragenen Einwendungen greifen nicht:

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a) Das FG hat - wie ausgeführt - seine Angemessenheitsprüfung insbesondere an der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Aufwendungen orientiert und insoweit die im Urteil in BFHE 123, 158, BStBl II 1978, 93 aufgestellten Maßstäbe beachtet.

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b) Soweit das FG auf das Urteil in BFHE 117, 195, BStBl II 1976, 97 Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, daß dem § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG keine absoluten Höchstbeträge zu entnehmen sind. Es liegt in der Natur einer Angemessenheitsprüfung im Sinne der Vorschrift, daß Unterschiede tatsächlicher Art in den steuerbaren Tätigkeiten die Annahme unterschiedlicher Höchstbeträge auch dann rechtfertigen können, wenn im übrigen vergleichbare Wirtschaftsgüter angeschafft werden. Das FG hat auch ausreichend dargelegt, weshalb für den Streitfall von anderen tatsächlichen Umständen als im Urteilsfall in BFHE 117, 195, BStBl II 1976, 97 auszugehen ist. Soweit das FA diese Unterschiede verneint, übersieht es, daß der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die Würdigung tatsächlicher Art durch das FG gebunden ist, weil insoweit keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben wurden. Dies gilt in gleicher Weise insoweit, als das FA zur Begründung seiner Revision vorträgt, das Vorbringen des Klägers sei in sich widersprüchlich, weil er einerseits die gehobene Büroatmosphäre als wichtig, andererseits aber seine funktionale Büroausstattung als eher bescheiden bezeichne. Das FG hat das Klägervorbringen in freier Beweiswürdigung zu würdigen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dabei ist es an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO).

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c) Die Frage, ob ein Aufwand in Höhe von rd. 25 700 DM für einen Fußbodenbelag ohne erhebliche private Vorliebe des Steuerpflichtigen für kostbare Orientteppiche zu erklären ist, berührt ebenfalls ausschließlich die Würdigung tatsächlicher Umstände. Die insoweit vom FA vertretene Auffassung bedeutet deshalb die Darlegung eines anderen tatsächlichen Standpunktes als den, den das FG eingenommen hat. Den Standpunkt des FA kann der erkennende Senat aus Gründen des § 118 Abs. 2 FGO nicht berücksichtigen. Im übrigen stellt § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG nicht darauf ab, ob der vom FA mit 9 000 DM als angemessen angesehene Aufwand einer als wichtig beurteilten Büroatmosphäre im Vergleich zur übrigen Einrichtung abträglich ist.

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d) Die Vorentscheidung ist auch insoweit frei von Rechtsfehlern, als das FG nicht darauf abgestellt hat, inwieweit die übrige Büroausstattung die für notwendig gehaltene Eleganz und Gediegenheit durch vergleichbar hohe Anschaffungskosten zum Ausdruck bringt. Die in § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG geforderte Angemessenheitsprüfung bezieht sich auf einzelne Aufwendungen, nicht jedoch auf eine bestimmte Einrichtung in ihrer Gesamtheit. Es ist damit der Entscheidung des Steuerpflichtigen vorbehalten, welche Einrichtungsgegenstände er zu welchem Preis erwirbt. Der niedrige Preis für einzelne Einrichtungsgegenstände läßt für sich genommen noch keinen Rückschluß auf den Gesamteindruck einer Büroausstattung zu.