Gemeinsame Veranlagung von Eheleuten zur Einkommensteuer; Steuerliche Behandlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften

Rechtsgrundlage:

§ 128 FGO

Fundstelle:

BFH/NV 1987, 656

Tatbestand

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Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1977 rechnete ihnen der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) unter anderem Einkünfte aus Spekulationsgeschäften in Höhe von insgesamt . . . DM zu. Diese beruhen auf Wertpapiergeschäften, die der Kläger über Konten seiner drei minderjährigen Kinder abgewickelt hatte. Einspruch und Klage, mit denen die Kläger die Auffassung vertraten, diese Einkünfte seien ihren Kindern zuzurechnen, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß Einkünfte demjenigen zuzurechnen seien, der sie durch seine unternehmerische Tätigkeit erwirtschafte. Es führte im Urteil vom 12. Mai 1982 im wesentlichen aus: Diese Aktivitäten habe der Kläger als Herr der unter persönlicher Ausnutzung der Marktchancen ausschließlich über die Bankkonten der Kinder abgewickelten Spekulationsgeschäfte entfaltet. Tatsächlich habe der Kläger "die Kinder nicht nur wegen seiner damit verfolgten Spekulationsabsichten von der Einwirkung auf die Substanz der kurzfristig umgeschlagenen Wertpapiere ausgeschlossen, sondern auch sonst - unter Mißachtung etwaiger Vermögensrechte der Kinder (folgen Zitate des Bundesfinanzhofs - BFH -) frei über ,deren` Konten verfügt, und zwar dadurch, daß er . . . sowohl das Substrat der dem Beklagten . . . angezeigten ,Schenkungen` über jeweils 30 000 DM . . . auf sein Konto zurücküberwiesen als auch sämtliche in den Vorjahren angefallenen Kapitalerträge und im Streitjahre erzielten Spekulationsgewinne dorthin abgezogen hat. . . . Zur Rechtfertigung dieser eigennützigen Verfügungen über ,Kindesvermögen` könne sich der Kläger weder auf die mit den ,Schenkungen` verbundenen Auflagen noch auf die Vereinbarung ihm von seinen Kindern auf unbestimmte Zeit gewährter, ungesicherter, mit 1,5 % verzinslicher Kontokorrentkredite stützen. . . . Denn obwohl dem Kläger aufgrund seiner Vorbildung - gerade für den Fall von Interessenkollisionen bei Insichgeschäften . . . - die Wichtigkeit klarer, formgerechter und familienrechtlich wirksamer Regelungen . . . bewußt sein mußte, hat er schon das Risiko eindeutiger (notariell beurkundeter oder wenigstens schriftlicher) Abreden dieser Art gescheut. . . . Sie hielten auch keinem Fremdvergleich stand . . . und wären, da sie den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung im Sinne des § 1811 BGB zuwiderliefen, auch von den Ergänzungspflegern (§ 1909 BGB), die in einem solchen Fall zur Wahrung der Kinderinteressen hätten eingeschaltet werden müssen . . . nicht zugelassen worden". Tatsächlich habe der Kläger auch aus den in den - möglicherweise erst nachträglich angelegten - Oktavheften vorgenommenen Gutschriften keine steuerlichen Konsequenzen gezogen. Im Zusammenhang mit den ,Aushöhlungen` . . . der Bankkonten, über die er nicht als gesetzlicher Vertreter . . ., sondern - aufgrund seiner alleinigen Verfügungsmacht - wie über eigene Konten disponiert habe, habe der Kläger selbst zu erkennen gegeben, daß er die Kinder . . . "jedenfalls gegenwärtig noch nicht habe bereichern" wollen. Dieses Urteil, das unter Mitwirkung der Richter A, B und C, als Berichterstatter, gefällt wurde, ist von den Richtern A, zugleich für den wegen Krankheit verhinderten Richter B, und C unterschrieben. Während des von den Klägern gegen dieses FG-Urteil angestrengten Revisionsverfahrens hat das FA den Einkommensteuerbescheid für 1977 zweimal geändert. Die Kläger legten gegen diese Änderungsbescheide Einspruch ein und stellten keinen Antrag gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Daraufhin hat der damals zuständige VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) das Revisionsverfahren mit Beschluß vom 16. März 1983 und 22. Juni 1983 VIII R 174/82 ausgesetzt; das Revisionsverfahren ist inzwischen auf den IX. Senat übergegangen (Az. IX R 100/82) und noch nicht beendet.

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Nachdem das FA den Einspruch der Kläger gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid als unbegründet zurückgewiesen hatte, erhoben diese erneut Klage und beantragten, die Richter B und C kraft Gesetzes bzw. wegen Befangenheit von der Ausübung des Richteramts auszuschließen. Kraft Gesetzes seien diese Richter von der Ausübung des Richteramtes entsprechend § 41 Nr. 6 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i. V. m. § 51 Abs. 1 FGO ausgeschlossen, weil sie bei der Entscheidung über die erneute Klage zugleich über die Richtigkeit ihrer eigenen Vorentscheidung befänden. Ihre Befangenheit ergebe sich daraus, daß sich der in dem ersten FG-Verfahren als Berichterstatter zuständig gewesene Richter C bereits im Verhandlungstermin vom 24. November 1981 durch entsprechende Äußerungen dergestalt festgelegt habe, daß die Kläger mit einem für sie ungünstigen Ausgang des Verfahrens hätten rechnen müssen. So habe der Richter C auf die Frage des Prozeßbevollmächtigten der Kläger, ob die gerichtlichen Anfragen vom 23. Oktober und 5. November 1981 schon eine für die Kläger ungünstige Meinung des Gerichts widerspiegelten, wörtlich geantwortet: "Das ist schon möglich." Ferner sei auf die Art der redaktionellen Abfassung des ersten Urteils vom 12. Mai 1982 hinzuweisen, das sich passagenweise eher wie ein eine drakonische Verurteilung begründendes Strafurteil denn als ein FG-Urteil lese und das die von einem Gericht im Senatsrang zu erwartende Distanz vermissen lasse, wie im einzelnen ausgeführt wird.

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Der Richter B hat sich zu dem Ablehnungsantrag dahingehend dienstlich geäußert, daß die beanstandete Äußerung in der mündlichen Verhandlung nicht von ihm stamme und er an der redaktionellen Fassung des Urteils nicht mitgewirkt habe. Der Richter C hat in seiner dienstlichen Äußerung erklärt, daß und weshalb er sich nicht befangen fühle. Das FG wies die Richterablehnung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus:

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Nach § 41 Nr. 6 ZPO sei ein Richter von der Ausübung seines Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen, in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt habe. Ein solcher, im Gesetz angesprochener Fall liege hier nicht vor.

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Die Richter C und B seien auch nicht wegen Besorgnis der Befangenheit von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen. Die Mitwirkung eines Richters in einem früheren Verfahren auch über den gleichen Sachverhalt, das zu einer ungünstigen Entscheidung geführt habe, genüge als Ablehnungsgrund grundsätzlich nicht. Auch das von den Klägern gerügte Verhalten des Richters C in der mündlichen Verhandlung biete keinen Anlaß, auf eine etwaige Befangenheit des Richters C zu schließen. Grundsätzlich dürfe der Richter Rechtsansichten äußern und rechtliche Hinweise geben, ohne daß daraus auf Unsachlichkeit oder Parteilichkeit geschlossen werden könne. Dies müsse um so mehr gelten, wenn - wie im Streitfall - die Kläger ausdrücklich um entsprechende Hinweise des Gerichts gebeten hätten. Auch die Tatsache, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger unter Umständen aus den Hinweisen habe entnehmen können, daß das Gericht der Klage keine großen Erfolgsaussichten einräume, begründe keinen Ablehnungsgrund. Ferner stelle die redaktionelle Abfassung des Ersturteils keinen Ablehnungsgrund dar. So enthielten die von den Klägern gerügten Passagen keine unsachlichen Äußerungen oder sonstigen Hinweise, die auf Fehlen der gebotenen Objektivität und Neutralität schließen ließen. Vielmehr sei es eine reine Stilfrage, ob der Berichterstatter beim Absetzen des Urteils die Ansicht des Gerichts, daß die Bezeichnungen "Schenkung", "Konten der Kinder", "Kindesvermögen" usw. nicht den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprächen, durch die Verwendung von Anführungsstrichen oder auf andere Weise zum Ausdruck bringe. Die weiteren von den Klägern beanstandeten Formulierungen des Urteils beruhten auf Zitaten aus der Rechtsprechung des BFH bzw. aus dem Fachschrifttum.

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Der Tenor dieses Beschlusses wurde in der mündlichen Verhandlung vom 3. November 1983 vor dem FG durch den Vorsitzenden verkündet. Darauf erklärte der Klägervertreter zu Protokoll, daß er hiergegen Beschwerde einlege. Anschließend wurde die Streitsache verhandelt. Das FG wies die Klage erneut als unbegründet ab. Die hiergegen eingelegte Revision ist bei dem Senat unter dem Az. IX R 26/84 noch anhängig.

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Die Kläger begründen die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, wie folgt: Vorsorglich werde Verletzung des § 41 Nr. 6 ZPO gerügt, was noch im Revisionsverfahren IX R 26/84 näher dargelegt werde. Gegenüber den Richtern B und C bestehe die Besorgnis der Befangenheit, weil in Fällen zweimaliger Befassung mit derselben Sache dieses Rechtsinstitut großzügig auszulegen sei. So sei als Befangenheitsgrund anerkannt, wenn sich ein Richter durch seine frühere Entscheidung bereits in einem bestimmten Sinne festgelegt habe. Gegenüber dem Richter C verdichteten sich die Ablehnungsgründe durch sein Verhalten in der mündlichen Verhandlung vom 24. November 1981, wofür als Beweismittel das Zeugnis des Prozeßbevollmächtigten der Kläger angeboten werde. Die fehlende Objektivität dieses Richters gegenüber dem Streitstoff und den Beteiligten zeige auch die Abfassung des Urteils vom 12. Mai 1982 mit ehrabschneidenden Formulierungen wie "Mißachtung etwaiger Vermögensrechte der Kinder" und "Rechtfertigung dieser eigennützigen Verfügungen über Kindesvermögen" sowie, daß der Kläger eindeutige Abreden "gescheut" habe. Ferner enthalte das FG-Urteil schwere Rechtsmängel, wie im Revisionsverfahren im einzelnen dargelegt sei.

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Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.

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Gründe für eine persönliche Befangenheit des Richters C seien nicht gegeben. Es treffe nicht zu, daß dieser sich in der mündlichen Verhandlung vom 24. November 1981 wie angeführt geäußert habe. Allenfalls könne er zu erkennen gegeben haben, daß er der Klage geringe Erfolgsaussichten einräume.

Entscheidungsgründe

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Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

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Die nach § 128 FGO statthafte Beschwerde ist nicht dadurch unzulässig geworden, daß das FG inzwischen unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zur Hauptsache entschieden hat (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217). Die Beschwerde konnte gemäß § 129 FGO auch in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden (BFH-Beschluß vom 10. Juni 1975 VII B 39/75, BFHE 116, 7, BStBl II 1975, 673).

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Der Beschwerde muß der Erfolg versagt bleiben, weil das FG das Ablehnungsgesuch zutreffend als unbegründet zurückgewiesen hat.

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Soweit die Ablehnung unter Hinweis auf §§ 41 Nr. 6 42 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 51 FGO darauf gestützt wird, daß die Richter B und C kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen gewesen seien, kann dem aus den vom FG in dem angefochtenen Beschluß dargelegten Gründen nicht gefolgt werden. § 41 Nr. 6 ZPO bestimmt den Ausschluß des Richters in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszuge oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Diese Regelung erfaßt nur die Mitwirkung beim Erlaß der angefochtenen Entscheidung in einer früheren, d. h. unteren Instanz (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 18. Oktober 1979 3 C 117/79, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 2722; Stein / Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 41, Rdnrn. 16 und 19). Der innere Grund für die Vorschrift ist die Erwägung, daß von keinem Richter erwartet werden kann, er werde mit voller Unbefangenheit nachprüfen, ob eine von ihm erlassene oder miterlassene Entscheidung zutrifft. Deshalb steht § 41 Nr. 6 ZPO der Mitwirkung in derselben Instanz nach Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nicht entgegen (Beschluß des BVerwG vom 4. November 1974 VII B 9/74, NJW 1975, 1241; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 45. Auf., § 41, Anm. 2 F c, und Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 51 FGO, Tz. 4, S. 3). Dasselbe muß für den vorliegenden Fall der Entscheidung über einen Änderungsbescheid gelten, nachdem die gleichen Richter bereits über den ursprünglichen, später geänderten Bescheid befunden hatten. Die Aufzählung der Ausschließungsgründe in § 41 ZPO ist abschließend. Analoge Ausschließungsgründe neben den dort angeführten Tatbeständen gibt es grundsätzlich nicht (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1973 IV R 80/72, BFHE 110, 479, BStBl II 1974, 142; Urteil des BVerwG in NJW 1980, 2722, und Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 5. Dezember 1980 V ZR 16/80, NJW 1981, 1273).

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Die Beschwerde greift auch hinsichtlich der geltend gemachten Ablehnung wegen Befangenheit nicht durch.

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Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 51 FGO setzt die Ablehnung wegen Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Mißtrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Dabei kommt es darauf an, ob der Beteiligte, der das Ablehnungsgesuch angebracht hat, von seinem Standpunkt aus bei Anlegung des angeführten objektiven Maßstabs Anlaß hat, Voreingenommenheit zu befürchten (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).

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Dem Ablehnungsgesuch steht nicht schon entgegen, daß es sich gegen zwei Richter wegen ihrer Mitwirkung an einer Kollegialentscheidung richtet, da konkrete Anhaltspunkte für eine Befangenheit geltend gemacht wurden (vgl. Urteil des BVerwG vom 5. Dezember 1975 VI C 129.74, BVerwGE 50, 36). Jedoch genügt für die Ablehnung wegen Befangenheit grundsätzlich nicht, daß der Richter in einem früheren Verfahren eine für den Kläger ungünstige Auffassung vertreten hat (BFH-Beschluß vom 14. Januar 1971 V B 67/69, BFHE 101, 207, BStBl II 1971, 243, und ständige Rechtsprechung; ferner Stein / Jonas, a.a.O., § 42 Rdnrn. 8 und 10). Es muß vielmehr hinzukommen, daß der Richter dem Kläger Grund für die Befürchtung gegeben hat, er werde Gegengründen nicht mehr aufgeschlossen gegenüberstehen (Beschluß in BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555). Soweit im Schrifttum (so von Fritz Baur in Festschrift für Larenz, 1973, 1073) Bedenken gegen die ständige Rechtsprechung geäußert werden, handelt es sich um eine andere Fallgruppe, nämlich Regreßprozesse, in denen der Richter unter Umständen über sein eigenes Verhalten im Verlauf des Vorprozesses zu Gericht sitzen muß. Davon kann hier keine Rede sein.

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Hinsichtlich des Richters B haben die Kläger in dessen Person liegende Ablehnungsgründe nicht dargetan. Der erkennende Senat folgt dem angefochtenen Beschluß des FG im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung ferner darin, daß auch bei Richter C keine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen ist.

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Soweit die Kläger die Befangenheit dieses Richters aus dessen Verfertigung des Textes der Entscheidungsgründe in dem Urteil des FG vom 12. Mai 1982 herleiten, ist zu beachten, daß nicht der Berichterstatter, sondern der Spruchkörper des FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). In dem Urteil waren die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 96 Abs. 1 Satz 3 FGO). Wegen des Rechts der Beteiligten auf Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) mußten die "Kernpunkte" des Rechtsstreits in den Entscheidungsgründen bearbeitet werden (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 1. Februar 1978 1 BvR 426/77, BVerfGE 47, 182, 189). Der Freiheit der Tatsacheninstanz in der Beurteilung des Sachverhalts sind wertende Aussagen immanent.

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Dem Richter wird im allgemeinen empfohlen, bei der Abfassung des Urteils eine "gemessene" Sprache zu gebrauchen (z. B. Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., 346). Jedoch muß dem Richter auch eine freimütige oder temperamentvolle Ausdrucksweise gestattet sein. Allerdings sind der Freiheit des Richters bei der Abfassung seiner Entscheidung Grenzen gesetzt. Formulierungen, die den nötigen Abstand von Person und Sache eindeutig vermissen lassen, weil sie ohne hinreichenden Grund beleidigend, herabsetzend oder in anderer Weise evident unsachlich bzw. unangemessen sind, können die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Das ist z. B. bei einem Richter angenommen worden, der gegenüber nicht abwegigen Parteiausführungen mehrfach sinngemäß zum Ausdruck gebracht hatte, daß er sie für "dummes Zeug" halte (Beschluß des Oberlandesgerichts - OLG - Frankfurt vom 16. September 1982 2 WF 76/82, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 1983, 630). Der Richter darf sich auch nicht zu abwegigen Werturteilen oder Vergleichen in drastischen Worten verleiten lassen (Beschlüsse des OLG Hamm vom 9. März 1967 2 Ss 1569/66, NJW 1967, 1577, und des Kammergerichts vom 16. Juni 1975 11 W 613/75, NJW 1975, 1842, 1843).

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Diese Grenzen für den richterlichen Spielraum bei der textlichen Urteilsfassung sind hier entgegen der Auffassung der Kläger nicht überschritten worden. Die Wertung des Verhaltens des Klägers in dem Urteil vom 12. Mai 1982 liegt im Bereich tatrichterlicher Sachverhaltswürdigung. Nachdem das FG aufgrund seiner eingehenden Ermittlungen festgestellt hatte, daß der Kläger die im Namen seiner minderjährigen Kinder gemachten Spekulationsgewinne im Streitjahr 1977 in voller Höhe von den Konten der Kinder auf sein eigenes, überzogenes Konto umgebucht hatte, ist es weder abwegig noch evident unsachlich, wenn dieses Verhalten des Klägers dahin gewürdigt wird, daß er "unter Mißachtung etwaiger Vermögensrechte des Kindes eigennützige Verfügungen über Kindesvermögen" getroffen habe. Dasselbe gilt für die Feststellung, daß er "eindeutige Abreden gescheut" habe, da tatsächlich keine schriftlichen Vereinbarungen getroffen worden sind.

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Soweit das FG in dem angefochtenen Beschluß darauf hinweist, daß sich der Richter mit diesen Formulierungen an bestimmte BFH-Urteile und Äußerungen im Schrifttum angelehnt habe, ist freilich nicht zu verkennen, daß die Ausdrucksweise in dem Urteil gegenüber den Zitaten verschärft erscheint. Dieser Verschärfung hätte es zwar nach Auffassung des erkennenden Senats nicht bedurft, sie erscheint aber nicht gehässig, sondern auch aus der zu berücksichtigenden Prozeßgeschichte (Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, a.a.O., § 42 Anm. 2 B "Ausdrucksweise") heraus verständlich und vertretbar. Die Entscheidungsgründe in ihrer Funktion als Stellungnahme zum Klägervorbringen besagen insoweit im Grunde, falls die Kläger Vermögensrechte ihrer Kinder begründet haben könnten, seien diese "etwaigen", d. h. unterstellten Vermögensrechte, wie die tatsächliche Gestaltung zeige, nicht den familienrechtlichen Erfordernissen gemäß beachtet worden.

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Der erkennende Senat hält die Begründung der Befangenheitsrüge für abwegig, soweit sie die Fassung des FG-Urteils bemängelt, wonach dem Kläger aufgrund seiner Vorbildung die Wichtigkeit klarer, formgerechter und familienrechtlich wirksamer Regelungen habe "bewußt" sein müssen, und daß Rechtsbegriffe wie der der Schenkung nur mit Anführungszeichen wiedergegeben worden seien. Letzteres ist gängige Gerichtspraxis, wie sich z. B. aus dem BFH-Urteil vom 10. April 1984 VIII R 134/81 (BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705) ergibt. Die Frage, ob das FG zur Wirksamkeit der von den Klägern geltend gemachten Handschenkung hätte Stellung nehmen müssen, ist nicht im Rahmen der Richterablehnung, sondern im Revisionsverfahren zu prüfen.

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Die weitere Begründung für die Besorgnis der Befangenheit des Richters C, weil er in der mündlichen Verhandlung vom 24. November 1981 eine für die Kläger ungünstige Rechtsauffassung des FG habe erkennen lassen, ist ebenfalls nicht stichhaltig.

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Der erkennende Senat hat schon erhebliche Bedenken, ob die Kläger nicht insoweit ihr Ablehnungsrecht nach § 51 FGO i. V. m. § 43 ZPO verloren haben (vgl. E. Schneider, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1977, 441).

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Jedenfalls haben die Kläger diesen Ablehnungsgrund entgegen § 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO i. V. m. § 51 FGO nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die bloße Benennung von Zeugen reicht zur Glaubhaftmachung nicht aus. Wie sich aus § 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 2 ZPO ergibt, können im Rahmen der Richterablehnung grundsätzlich nur sogenannte präsente Beweismittel berücksichtigt werden (BFH-Beschluß vom 14. Oktober 1981 I B 26/81, nicht veröffentlicht, unter Hinweis auf Stein / Jonas, a.a.O., § 44, Anm. III, m. w. N.). Die Kläger hätten deshalb zumindest eine schriftliche Zeugenaussage ihres Prozeßbevollmächtigten mit der möglichst genauen Wiedergabe auch des Wortlauts seiner Frage an das FG vorlegen müssen. Hinzu kommt, daß die Darstellung des Klägers vom FA bestritten und hinsichtlich des Wortlauts der Äußerung auch in der dienstlichen Stellungnahme des Richters C nicht bestätigt wird.

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Selbst wenn aber der Senat mit dem FG von der Richtigkeit der klägerischen Darstellung ausgeht, reicht auch sie für die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit nicht aus. Denn die behauptete Äußerung des Richters läßt schon deshalb keine vorzeitige Festlegung des Gerichts erkennen, weil der Richter eine den Klägern ungünstige Rechtsauffassung lediglich als "möglich" bezeichnet hat. Nach ständiger Rechtsprechung kann es grundsätzlich nicht als einseitige Parteinahme angesehen werden, wenn ein Richter im Rahmen des durch § 93 FGO vorgesehenen Rechtsgesprächs mit den Beteiligten eine bestimmte Auffassung äußert (BFH-Beschluß vom 5. März 1971 VI B 64/70, BFHE 102, 10, BStBl II 1971, 527; Beschluß des BVerwG vom 6. Februar 1979 4 CB 8.79, Bayerische Verwaltungsblätter 1979, 279 = Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, § 54 VwGO Nr. 26 = Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1979, 295; Entscheidungen des OLG Köln vom 13. Dezember 1974 1 W 53/74, NJW 1975, 788, und des OLG Karlsruhe vom 18. Februar 1981 2 WF 73/81, Deutsche Richterzeitung 1982, 33). Läßt der Richter in der mündlichen Verhandlung eine einem Beteiligten ungünstige Rechtsansicht erkennen, so hat dieser gerade im Termin Gelegenheit, diese Auffassung zu widerlegen oder doch zu bekämpfen.

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Soweit die Kläger die Ablehnung auf, wie sie meinen, schwere Rechtsfehler in dem angefochtenen Urteil stützen, ist ebenfalls keine parteiliche Voreingenommenheit des Richters C zu erkennen. Über die Sache selbst muß im Revisionsverfahren entschieden werden.

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Auch die Gesamtwürdigung der Ablehnungsgründe führt nicht zu dem Ergebnis, daß gegenüber Richter C eine Besorgnis der Befangenheit angenommen werden könnte. Denn er hat bei vernünftiger Würdigung aller Umstände keinen Anlaß dazu gegeben, an seiner Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung zu zweifeln.