Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines verspätet gestellten Antrags auf Gewährung einer Investitionszulage

Fundstelle:

BFH/NV 1987, 554

Tatbestand

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Streitig ist ob der Klägerin und Revisionsklägerin ( Klägerin ) wegen eines verspätet gestellten Antrags auf Gewährung einer Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes ( BerlinFG ) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

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Die Klägerin, die in Berlin (West) eine Gesellschaft beliefert, reichte am 5. März 1981 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) einen als Duplikat gekennzeichneten Antrag auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 1979 ein. Am selben Tage ging beim FA auch ein Schreiben des damaligen steuerlichen Beraters und nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin (im folgenden K) ein. Darin bat dieser zu prüfen, ob sich in den Unterlagen des FA bereits ein fristgemäß gestellter Investitionszulagenantrag für 1979 befinde. Für den Fall, daß ein derartiger Antrag nicht vorliege, beantragte K vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trug er vor: Ausweislich seines Postausgangsbuchs habe er den (ersten) Antrag am 28. August 1980 an seine Mandantin abgesandt. Aufgrund seiner bisherigen Erfahrung gehe er davon aus, daß der Geschäftsführer der Klägerin den Antrag sofort unterschrieben und an das FA weitergeleitet habe. Eine Überprüfung, ob der Antrag auch tatsächlich rechtzeitig abgesandt worden ist, sei nicht möglich, da bei der Klägerin kein Postausgangsbuch geführt werde. Der Antrag sei bei der Klägerin jedenfalls nicht mehr vorhanden.

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Das FA lehnte den Antrag der Klägerin auf Gewährung der Investitionszulage für 1979 mit Bescheid vom 29. Mai 1981 wegen Versäumung der Antragsfrist ab. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährte es nicht.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Auffassung, die Klägerin habe während des gesamten Verfahrens nicht glaubhaft machen können, daß die Versäumung der Antragsfrist auf solchen Umständen beruht, die ihr nicht als Verschulden i. S. des § 110 der Abgabenordnung (AO 1977) zuzurechnen seien.

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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Schließlich weist sie noch darauf hin, daß sie ihrer Pflicht, die entscheidenden Vorgänge glaubhaft zu machen, hinreichend nachgekommen sei. Das FG hätte hier notfalls im Rahmen seiner Ermittlungspflicht selbst ermitteln müssen.

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Die Klägerin beantragt,

die ablehnenden Vorentscheidungen einschließlich des Bescheids vom 29. Mai 1981 aufzuheben und hinsichtlich der versäumten Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

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Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat die Antragsfrist für die Zulagengewährung schuldhaft versäumt.

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1.

Ihr Antrag, für die im Jahre 1979 getätigten Investitionen eine Zulage nach § 19 BerlinFG zu gewähren, hätte bis spätestens 30. September 1980 beim FA gestellt sein müssen (§ 19 Abs. 5 Satz 3 und § 31 Abs. 10 BerlinFG i. d. F. des Gesetzes vom 22. Dezember 1978, BGBl I 1979, 1, BStBl I 1979, 3). Das am 5. März 1981 beim FA eingegangene Antragsschreiben war mithin verspätet. Ein früheres Schreiben lag unstreitig nicht vor. Für seinen Eingang beim FA hätte die Klägerin die Feststellungslast (objektive Beweislast) getroffen.

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2.

Der Klägerin kann wegen der Versäumung der Antragsfrist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß mangelndes Verschulden i. S. des § 110 Abs. 1 AO 1977 nicht glaubhaft gemacht wurde.

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Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat nach den Feststellungen des FG im Klageverfahren u. a. vorgetragen, er gehe davon aus, daß der Antrag die Klägerin erreicht habe, da die dem Antrag beigefügten Unterlagen in dem dortigen Büro noch vorhanden seien. Geht man von dieser Sachdarstellung aus, so hätte sich die Klägerin nur dann exkulpieren können, wenn sie nachgewiesen oder wenigstens glaubhaft gemacht hätte, daß sie den Antrag ordnungsgemäß und fristgerecht ihrerseits wieder zur Post aufgegeben hat (vgl. hierzu z. B. Söhn in Hübschmann /Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 110 AO 1977 Anm. 55). An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch.

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Die Klägerin hat entsprechende Tatsachen weder im Verwaltungs- noch im Finanzgerichtsverfahren vorgetragen. Sie hat nicht einmal mitgeteilt, wer mit der Antragsbearbeitung bei ihr befaßt war. Auch fehlt jeglicher Hinweis dazu, von wem und wann der Antrag an das FA weitergeleitet wurde. Die Klägerin hat, soweit es ihren eigenen Bereich betraf, lediglich Beweis dafür angeboten, daß das Antragsformular nach Bekanntwerden des Verlustes in ihrem Büro trotz intensiven Suchens nicht gefunden wurde. Damit ist aber nicht bereits seine ordnungs- und fristgemäße Aufgabe zur Post dargelegt und glaubhaft gemacht. Denn das Formular kann ebensogut nach seinem Eingang bei der Klägerin versehentlich in den Papierkorb geworfen worden sein.

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Inwieweit das von der Klägerin zitierte Urteil des FG Hamburg vom 13. April 1978 III 11/78 (Entscheidung der Finanzgerichte 1978, 522) zu einer anderen Beurteilung führen könnte, ist nicht ersichtlich. Dort wurde u. a. ein nach § 110 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 zuzurechenbares Verschulden abgelehnt, weil das FG annahm, die dem Bevollmächtigten erteilte Generalvollmacht habe nicht auch die Verpflichtung beinhaltet, ohne Rückfrage beim Vollmachtgeber Einspruch einzulegen. Im Streitfall war K hingegen ja gerade beauftragt gewesen, in Sachen Investitionszulage 1979 tätig zu werden.

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3.

Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, das FG hätte notfalls noch selbst Ermittlungen anstellen müssen, kann darin die Rüge eines Verfahrensmangels gesehen werden (Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FG -). Doch ist diese Rüge schon nicht in der vorgeschriebenen Form (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO) erhoben worden. Die Klägerin hat nicht einmal mitgeteilt, welche Tatsachen ihrer Auffassung nach noch hätten aufgeklärt werden und welcher Beweismittel sich das FG dazu hätte bedienen müssen (s. hierzu z. B. Klein /Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr. 216 i. V. m. Rdnrn. 171 und 172). Im übrigen oblag es ausschließlich der Klägerin, die Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen, die die Fristversäumung hätten entschuldigen können.

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Anmerkung: Da die Klägerin im Streitfall bereits eigenes Verschulden traf, brauchte der Senat nicht zu prüfen, ob der steuerliche Berater möglicherweise ihn treffende Aufzeichnungs- und Überwachungspflichtigen verletzt hatte (vgl. hierzu Beschluß des BGH vom 30. 11. 1962 ZR 11/62, StRK, RAO § 86, R. 84, VersR 1963, 97 ).