Rechtsgrundlagen:
§ 69 FGOEStG 1983
§ 15a EStG 1983
§ 52 Abs. 21 S. 2 Nr. 1 EStG 1983
§ 52 Abs. 21 S. 2 Nr. 3 EStG 1983
Fundstellen:
BFHE 156, 167 - 170
BFH/NV 1989, 23
BStBl II 1989, 516
DB 1989, 1170-1171 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz:
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß die Übergangsregelung zu § 15 a EStG für den sozialen Wohnungsbau nicht für Gebäudeteile gilt, die nicht mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus gefördert sind.
Tatbestand:
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine GmbH & Co. KG, aus der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden, errichtete in Berlin (West) ein Gebäude mit einer zur Vermietung bestimmten Nutzfläche von 1 114 qm. Davon entfallen 88,42 v. H. auf Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln des sozialen Wohnungsbaus gefördert wurden. Die restliche Fläche wird gewerblich genutzt. Der nach dem Verhältnis der Nutzflächen anteilig auf die gewerblich genutzte Fläche entfallende Verlust wurde vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) bei den gesonderten und einheitlichen Feststellungen der Einkünfte 1984 und 1985 gemäß § 15 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht als ausgleichsfähig, sondern als verrechenbar gemäß § 15 a Abs. 2 EStG angesehen und in den Bescheiden vom 15. Januar und 16. November 1987 entsprechend festgestellt. Dagegen ist im Hauptsacheverfahren beim Finanzgericht (FG) Klage anhängig, mit der geltend gemacht wird, der gesamte Verlust sei ohne die Einschränkung nach § 15 a Abs. 1 EStG ausgleichsfähig.
Der Antrag der Antragstellerin, Aussetzung der Vollziehung der Feststellungsbescheide 1984 und 1985 mit der Maßgabe zu gewähren, daß die festgestellten Verluste vorläufig ungekürzt zum Verlustausgleich zugelassen werden, blieb ohne Erfolg.
Das FG hat die Beschwerde gemäß Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlG) i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen.
Mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, wird geltend gemacht, gemäß § 52 Abs. 21 Satz 2 Nr. 3 EStG sei § 15 a EStG auf die im Streitjahr entstandenen Verluste nicht anzuwenden. Dies gelte auch für den Teil des Verlusts, der auf die nicht geförderten Gebäudeteile entfalle. Erstmals im Beschwerdeverfahren wird unter Hinweis auf den Gesellschaftsvertrag vom 1. Februar 1978 und einen Handelsregisterauszug geltend gemacht, die Antragstellerin falle auch unter die Übergangsregelung für vor dem 11. Oktober 1979 eröffnete Betriebe (Altbetriebe). Schließlich wird im Beschwerdeverfahren erstmals geltend gemacht, die Aufteilung des Verlusts nach dem Verhältnis der Nutzflächen führe angesichts der für Gewerberäume erzielbaren höheren Mieten zu unzutreffenden Ergebnissen; näher konkretisiert wird dies nicht.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung dieses Bescheids anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, und seitdem ständige Rechtsprechung).
2. Zutreffend hat das FG im Streitfall das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide verneint.
a) Nach § 52 Abs. 21 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. Satz 3 Nr. 2 EStG in der für die Streitjahre 1984 und 1985 geltenden Fassung ist § 15 a EStG auf Verluste, die im Zusammenhang mit der Errichtung und der Verwaltung von Gebäuden entstehen, die mit öffentlichen Mitteln i. S. des § 6 Abs. 1 oder nach § 88 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) gefördert sind, erstmals in dem nach dem 31. Dezember 1989 beginnenden Wirtschaftsjahr anzuwenden. Mit dieser besonderen Übergangsregelung wollte der Gesetzgeber für den Bereich des sozialen Wohnungsbaus für einen längeren Zeitraum die bis zur Einfügung des § 15 a EStG bestehenden Verlustausgleichsmöglichkeiten aufrechterhalten. Dazu wird in der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 8/3648) ausgeführt, Satz 2 Nr. 3 EStG enthalte eine besondere Anwendungsvorschrift für Verluste, die im Zusammenhang mit der Errichtung und Verwaltung von im sozialen Wohnungsbau errichteten Wohnhäusern entstehen. Projekte in diesem Bereich würden besonders langfristig konzipiert. Für diesen Bereich sei es deshalb vertretbar, die erstmalige Anwendung des § 15 a EStG für das Jahr 1990 vorzusehen. Es sollte somit dem Umstand Rechnung getragen werden, daß angesichts der besonderen Verhältnisse im sozialen Wohnungsbau die Wohnraumvermietung für einen verhältnismäßig langen Zeitraum Überschüsse nicht erwarten läßt und daß deshalb ein besonderes Bedürfnis besteht, diese zwangsläufig entstehenden Verluste vorerst noch nicht den Verlustausgleichsbeschränkungen des § 15 a EStG zu unterwerfen. Mit dieser Zielsetzung ist die Sonderregelung durch Art. 1 Nr. 71 Buchst. p des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) um weitere fünf Jahre verlängert worden. Freivermietbarer Wohnraum und nicht zu Wohnzwecken genutzte Gebäude oder Gebäudeteile fallen nicht unter die Sonderregelung. Verluste, die aus ihrer Errichtung und Vermietung entstehen, fallen somit, soweit nicht eine andere Übergangs- oder Sonderregelung zu § 15 a EStG eingreift, z. B. die Übergangsregelung für Altbetriebe (§ 52 Abs. 21 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Satz 3 Nr. 1 EStG) oder die für Verluste aus erhöhten Absetzungen nach § 15 a des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG), bereits in den Streitjahren unter die Ausgleichsbeschränkung nach § 15 a EStG. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtsfragen erscheint es danach dem Senat mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes unvereinbar, bei gemischt genutzten Gebäuden die den sozialen Wohnungsbau fördernde Sonderregelung auch auf nicht mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus geförderte Gebäudeanteile auszudehnen. Diese dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechende Auslegung ist auch mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar. Vorrangig sollte der Fall geregelt werden, daß das Gebäude insgesamt mit öffentlichen Mitteln des sozialen Wohnungsbaus gefördert wurde; mithin sollte nach Auffassung des Senats bei gemischt genutzten Gebäuden die Sonderregelung weder insgesamt nicht anwendbar sein noch den gesamten Verlust umfassen, sondern eine Aufteilung nach dem Verhältnis der begünstigten und der nichtbegünstigten Nutzung geboten sein.
b) Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf die Übergangsregelung für sog. Altbetriebe in § 52 Abs. 21 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Satz 3 Nr. 1 EStG berufen. Wie der Senat im Beschluß vom 2. März 1988 IV B 95/87 (BFHE 152, 522, BStBl II 1988, 617) dargelegt hat, liegt jedenfalls bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen überschlägigen Prüfung ein Altbetrieb in diesem Sinne nur vor, wenn vor dem Stichtag nicht unerhebliche und mit Aufwendungen verbundene Aktivitäten entfaltet worden sind, die erkennbar auf die alsbaldige Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit gerichtet sind. Dazu hat die Antragstellerin lediglich vorgetragen, vor dem Stichtag (11. Oktober 1979) seien der Gesellschaftsvertrag abgeschlossen und die KG in das Handelsregister eingetragen worden. Damit ist aber nicht dargelegt, daß nach den im Beschluß in BFHE 152, 522, BStBl II 1988, 617 dargelegten Grundsätzen der Betrieb bereits vor dem Stichtag eröffnet worden sei. Der bloße Abschluß des Gesellschaftsvertrags, auch verbunden mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, kann nicht als wirtschaftliche Aktivität angesehen werden, die zu der Schlußfolgerung führt, der Betrieb sei bereits eröffnet.
c) Die Antragstellerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, es sei eine andere Verlustaufteilung als die nach dem Verhältnis der Nutzflächen geboten. Hinsichtlich des zu berücksichtigenden Prozeßstoffes findet im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO wegen dessen Eilbedürftigkeit eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere die Akten der Finanzbehörde, und auf präsente Beweismittel statt (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 1977 I R 162-163/76, BFHE 123, 3, BStBl II 1977, 765; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69 Rz. 115, 116). Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind nicht erforderlich. Danach kann für die Entscheidung im Aussetzungsverfahren auch nicht auf einen von der Antragstellerin in keiner Weise konkretisierten und nicht nachprüfbaren Aufteilungsschlüssel abgestellt werden.