Land- und Forstwirt; Buchführungspflicht; Steuerbilanz; Rücklage; Veräußerungsgewinn

Verfahrensgang:

vorgehend:

Schleswig-Holsteinisches FG

Fundstellen:

BFHE 156, 211 - 214

BFH/NV 1989, 28

BStBl II 1989, 560

DB 1989, 1381 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz:

Bei einem nach § 141 AO 1977 buchführungspflichtigen Land- und Forstwirt ist die Rücklage nach § 6 b EStG in der Steuerbilanz des Wirtschaftsjahrs zu bilden, in dem der Veräußerungsgewinn entstanden ist.

Tatbestand:

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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wird, ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs, dessen Gewinn er nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Bestandsvergleich ermittelt. Mit Wirkung ab 1. Oktober 1983 verpachtete der Kläger den Betrieb auf die Dauer von 12 Jahren. Die Aufgabe des Betriebs wurde nicht erklärt. Das lebende Inventar und die Maschinen, die nicht mitverpachtet wurden, wurden vom Kläger im Herbst 1983 veräußert. Dabei entstand aus der Veräußerung des lebenden Inventars ein Gewinn in Höhe von 37 000 DM. Dieser Gewinn war in dem vom Kläger für das Wirtschaftsjahr 1983/84 (1. Juli 1983 bis 30. Juni 1984) erklärten Gewinn von insgesamt 167 399 DM enthalten; eine Rücklage nach § 6 b EStG war in der Bilanz zum 30. Juni 1984 nicht gebildet worden. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 1983 beantragte der Kläger, für den Gewinn aus der Veräußerung des lebenden Inventars eine Rücklage in Höhe von 37 000 DM zu bilden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte dies mit der Begründung, der Gewinn sei mangels Zusammenhangs mit einer Betriebsumstellung nicht nach § 6 b EStG begünstigt, ab. Der Einkommensteuerbescheid 1983 wurde bestandskräftig. In der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1984 wies der Kläger eine Rücklage nach § 6 b EStG für den Gewinn aus der Veräußerung des lebenden Inventars in Höhe von 37 000 DM aus. Für das Streitjahr 1984 erklärte er einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft, in dem der Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1983/84 mit der Hälfte des sich nach Abzug des Veräußerungsgewinns von 37 000 DM ergebenden Betrags berücksichtigt wurde. Das FA folgte dem nicht, sondern setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 1. Oktober 1986 in der Weise fest, daß es den Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1983/84 ohne Abzug einer Rücklage nach § 6 b EStG zur Hälfte in die Einkünfte des Streitjahres einbezog.

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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

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Das Finanzgericht (FG) lehnte die begehrte Gewinnminderung mit der Begründung ab, die Veräußerung des lebenden Inventars sei nicht, wie § 6 b Abs. 1 Satz 1 EStG voraussetze, im Zusammenhang mit einer Betriebsumstellung erfolgt.

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Mit der vom FG gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung des § 6 b EStG.

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Die Kläger beantragen, die Einkommensteuer 1984 nach einem um 18 500 DM (die Hälfte von 37 000 DM) verringerten Einkommen festzusetzen.

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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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1. Nach § 6 b Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 22. Dezember 1981 - 2. HStruktG - (BGBl I, 1523, BStBl I 1982, 235) können Steuerpflichtige, die im Zusammenhang mit einer Betriebsumstellung lebendes Inventar eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs veräußern, im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in § 6 b Abs. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Wirtschaftsgüter einen Betrag bis zur Höhe von 80 v. H. des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns abziehen. Soweit Steuerpflichtige den Abzug nach § 6 b Abs. 1 EStG nicht vorgenommen haben, können sie im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden (§ 6b Abs. 3 Satz 1 EStG). Bis zur Höhe dieser Rücklage können sie von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in § 6 b Abs. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Wirtschaftsgüter, die in den folgenden zwei Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt werden, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung einen Betrag abziehen. Das Wahlrecht, einen Betrag nach § 6 b Abs. 1 EStG abzuziehen bzw. nach § 6 b Abs. 3 EStG eine Rücklage zu bilden oder von einem Abzug bzw. der Bildung einer Rücklage abzusehen, wird regelmäßig in der Handelsbilanz ausgeübt (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1985 IV R 83/83, BFHE 144, 25, BStBl II 1986, 350, 351). Ist eine Bilanz nicht nach handelsrechtlichen Vorschriften, sondern (nur) nach der steuerrechtlichen Vorschrift des § 141 der Abgabenordnung (AO 1977) aufzustellen, so werden die Bilanzierungswahlrechte in der Steuerbilanz ausgeübt.

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2. Hiernach hätte im Streitfall die Rücklage nach § 6 b Abs. 3 EStG, sofern die Voraussetzungen für ihre Bildung erfüllt gewesen sein sollten, in der Bilanz des Wirtschaftsjahres 1983/84 auf den 30. Juni 1984 gebildet werden müssen. Denn das lebende Inventar ist nach den Feststellungen des FG im Herbst 1983 veräußert worden, so daß - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - der Veräußerungsgewinn im Wirtschaftsjahr 1983/84 entstanden ist. Der Kläger hat jedoch in der Bilanz auf den 30. Juni 1984 weder einen Abzug nach § 6 b Abs. 1 EStG vorgenommen noch eine Rücklage nach § 6 b Abs. 3 EStG gebildet. Der so sich ergebende, weder um einen Abzug nach § 6 b Abs. 1 EStG noch eine Rücklage nach § 6 b Abs. 3 EStG geminderte Gewinn ist je zur Hälfte bei der Einkommensteuerveranlagung 1983 und bei der Einkommensteuerveranlagung 1984 zu erfassen.

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3. Der Kläger hat allerdings im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1983 die Bildung einer Rücklage nach § 6 b EStG in Höhe des (vollen) bei der Veräußerung des lebenden Inventars entstandenen Gewinns beantragt. Darin wird auch das Begehren zu erkennen sein, die dem FA vorgelegte Bilanz zu ändern (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG). Zu einer Bilanzänderung ist es tatsächlich jedoch nicht gekommen. Das FA hat die nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG erforderliche Zustimmung nicht erteilt; der Kläger hat die Bilanzänderung auch nicht weiter verfolgt, sondern den auf der nicht geänderten Bilanz zum 30. Juni 1984 beruhenden Einkommensteuerbescheid 1983 bestandskräftig werden lassen. Danach war eine Bilanzänderung nicht mehr möglich (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Februar 1966 I 275/62, BFHE 85, 307, BStBl III 1966, 321). Unerheblich ist, daß der Kläger eine Rücklage nach § 6 b Abs. 3 EStG in der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1984 ausgewiesen hat. Das Wahlrecht mußte in der Bilanz zum 30. Juni 1984 ausgeübt werden. Dies ist in der Weise geschehen, daß eine Rücklage nicht gebildet wurde. Nach dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs (vgl. jetzt § 252 Abs. 1 Nr. 1 des Handelsgesetzbuches) ist der Nichtansatz der steuerfreien Rücklage in der Schlußbilanz auf den 30. Juni 1984 auch maßgebend für die Eröffnungsbilanz auf den 1. Juli 1984.

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4. Auf die von den Beteiligten erörterte und auch vom FG für entscheidend gehaltene Frage, ob im Streitfall die Veräußerung des lebenden Inventars im Zusammenhang mit einer Betriebsumstellung erfolgte, kommt es hiernach nicht an. Die Revision ist schon deshalb unbegründet, weil in der Bilanz zum 30. Juni 1984 eine Rücklage nach § 6 b Abs. 3 EStG nicht gebildet worden ist und der so sich ergebende Gewinn nach § 4 a Abs. 2 Nr. 1 EStG zur Hälfte bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr zu erfassen ist.