Altenteilsleistung; Unbare Leistung; Wert; Sachbezugswert

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Baden-Württemberg

Rechtsgrundlagen:

§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975

§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 1979

§ 1 Abs. 1 SachBezV 1978

§ 4 SachBezV 1978

Fundstellen:

BFHE 157, 161 - 165

BFH/NV 1989, 38

BStBl II 1989, 784

DB 1989, 1804 (Kurzinformation)

Amtlicher Leitsatz:

Der Wert unbarer Altenteilsleistungen konnte in den Veranlagungszeiträumen 1978 und 1979 am Maßstab der Sachbezugswerte des § 1 Abs. 1 SachBezV 1978 und 1979, nicht aber nach denen des § 4 Sach-BezV 1978 und 1979 geschätzt werden.

Tatbestand:

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Durch Vertrag vom 27. Januar 1961 übernahm der Kläger und Revisionskläger (Kläger) von seinen Eltern einen landwirtschaftlichen Betrieb. Aufgrund der im Übergabevertrag festgelegten Verpflichtung gewährte er in den beiden Streitjahren 1978 und 1979 seiner Mutter u. a. freie Kost, Strom und Heizung. In seinen Einkommensteuererklärungen beantragte er, diese unbaren Leistungen mit dem Wert von jährlich 3 600 DM zum Abzug als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 1975 - EStG 1975 - /§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG 1979 i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1979 vom 30. November 1978, BGBl I 1978, 1849) zuzulassen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte in dem berichtigten Steuerbescheid vom 14. März 1983 unter Bezugnahme auf eine Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 12. November 1979 unbare Leistungen lediglich in Höhe von 2 360 DM (1978) und 2 590 DM (1979) an.

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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit welcher der Kläger die Abziehbarkeit der unbaren Altenteilsleistungen mit jährlich 3 600 DM weiterverfolgte, abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt: Die von der Finanzverwaltung festgelegten und im Streitfall angewendeten Nichtbeanstandungsgrenzen seien im Ergebnis zutreffend. Nach den Verordnungen über den Wert der Sachbezüge in der Sozialversicherung (SachBezV) für die Kalenderjahre 1978 und 1979 (BGBl I 1977, 3156, BStBl I 1978, 43, und BGBl I 1979, 106, BStBl I 1979, 73) seien für Heizung und Beleuchtung sowie für volle Verpflegung Beträge von 2 376 DM (1978) und 2 574 DM (1979) anzusetzen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 4 der jeweiligen Sach-BezV). Aus den auf der Rechtsgrundlage des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) festgelegten Regelsätzen und den Förderungsbeträgen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) vom 26. August 1971 (BGBl I 1971, 1409) könnten keine Rückschlüsse auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Nichtbeanstandungsgrenzen gezogen werden. Auch der in § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG festgelegte Höchstbetrag für Unterhaltsaufwendungen sei kein tauglicher Vergleichsmaßstab.

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Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er trägt vor: Die SachBezV 1978 und 1979 gälten nicht für die Bewertung von Sonderausgaben. Welche Schätzungsmaßstäbe heranzuziehen seien, habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 30. April 1976 VI R 34/75 (BFHE 119, 54, BStBl II 1976, 539) dargelegt. Diese Hinweise habe das FG nicht beachtet.

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Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Änderung des berichtigten Einkommensteuerbescheids vom 14. März 1983 die Einkommensteuer 1978 auf 594 DM und die Einkommensteuer 1979 auf 738 DM festzusetzen.

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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Zu Unrecht rügt der Kläger, daß sich das FG bei seiner Schätzung des Wertes unbarer Altenteilsleistungen maßgebend an den Leitwerten der SachBezV 1978 und 1979 orientiert habe. Jedoch ist die vom FG vorgenommene Kürzung dieser Leitwerte in Anlehnung an § 4 SachBezV 1978 und 1979 nicht frei von Rechtsirrtum.

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1. Unbare Altenteilsleistungen sind mit ihrem tatsächlichen Wert zu bewerten (BFH-Urteile vom 9. Oktober 1975 IV R 161/71, BFHE 117, 158, BStBl II 1976, 67; in BFHE 119, 54, BStBl II 1976, 539). Für den Nachweis der Höhe der gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975/§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG 1979 als Sonderausgaben (dauernde Last) abziehbaren unbaren Altenteilslasten gelten die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze. Wird ein Einzelnachweis nicht geführt, so ist die Höhe der Aufwendungen in der Regel zu schätzen. Die Feststellung der tatsächlichen Schätzungsgrundlagen obliegt dem FG als Tatsachengericht. Der BFH als Revisionsinstanz ist nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die in dem Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen erhoben worden sind. Das Revisionsgericht darf nur prüfen, ob die Schätzung zulässig war und ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat (vgl. BFH-Urteile vom 25. März 1988 III R 96/85, BFHE 153, 119, 122, BStBl II 1988, 655; vom 18. Januar 1989 X R 10/86, BFHE 156, 110, BStBl II 1989, 549).

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2. Die Schätzung des FG ist nicht in jeder Hinsicht frei von Rechtsfehlern.

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a) Das FG hat die Schätzung des FA gebilligt aufgrund der Erwägung, die "als Regelsätze wirkenden" Nichtbeanstandungsgrenzen erwiesen sich gemessen an den Werten der SachBezV 1978 und 1979 als zutreffend. Dem FG ist nur darin zu folgen, daß diese Werte bei einer Schätzung grundsätzlich als Vergleichsmaßstab herangezogen werden können.

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Die SachBezV 1978 und 1979 sind ergangen auf der Ermächtigungsgrundlage des § 17 Abs. 1 Nr. 3 Viertes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IV) vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3845). Hierdurch wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates "zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, ... den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert" zu bestimmen. "Dabei ist eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen" (§ 17 Abs. 1 letzter Satz SGB IV). Bei der Bewertung der freien Kost und Wohnung ist der Verordnungsgeber von den in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 1973 ermittelten Ausgaben als statistischer Grundlage ausgegangen. Dabei wurden die Aufwendungen eines Arbeiterhaushalts (Ehepaar ohne Kind) zugrunde gelegt. Der Ansatz für Kost wurde der Gruppe Nahrungs- und Genußmittel entnommen, wobei u. a. der Verbrauch von Tabakwaren, alkoholischen Getränken, Speisen und Mahlzeiten in Gaststätten und Hotels außer Betracht blieben. Der Leitwert für die erste Person wurde anhand des Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte "und entsprechend der Steigerung der Lebensqualität (fiktive Annahme)" bis 1978 fortgeschrieben (BR-Drucks. 509/77, S. 6).

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Die Bewertung der Sachbezüge in den SachBezV 1978 und 1979 beruht mithin auf einer Ermittlung von Verbraucher-Endpreisen. Die so ermittelten Leitwerte sind ein geeigneter Schätzungsmaßstab, der den gesetzgeberischen Vorstellungen entspricht und ein wertvolles Hilfsmittel darstellt, um die Einheitlichkeit der Bewertung von unbaren Altenteilslasten sicherzustellen. Dabei geht der Senat davon aus, daß die statistischen Erhebungen, auf denen die amtlichen Sachbezugswerte fußen, ein in einem breiten Normalbereich liegendes Verbrauchsverhalten abdecken. Mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sind Ausnahmen nur zuzulassen, wenn die Anwendung der SachBezV aufgrund von Besonderheiten zu nicht tragbaren, d. h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt. Dies verbietet es, bei Anwendung der Sach-BezV 1978 und 1979 einzelfallbezogene Erörterungen über einen mutmaßlich niedrigeren Sachbezug bzw. höhere Aufwendungen anzustellen. Der vorliegende Streitfall gibt keinen Anlaß zur Erörterung der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Anwendung der amtlichen Sachbezugswerte als Schätzungsmaßstab deswegen nicht mehr in Betracht kommt, weil ihre Anwendung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG i. d. F. des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988, BGBl I 1988, 1093).

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b) Zu Unrecht hat das FG die sich aus § 4 SachBezV 1978 und 1979 ergebenden Werte als maßgebend angesehen. Der Verordnungsgeber hatte diese ausdrücklich als "Übergangsvorschrift" bezeichnete Regelung geschaffen, um die bis zum Jahre 1977 auf der Rechtsgrundlage des § 160 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) festgesetzten, im Verhältnis zu den nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SachBezV 1978 und 1979 zu niedrigen Werte stufenweise an das ab 1978 geltende Recht anzupassen. Diese Übergangsregelung ist ausgerichtet auf die Bemessungsgrundlagen für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer; sie sagt über eine realitätsgerechte Bewertung von Sonderausgaben nichts aus. Ohnehin sind die in § 1 Abs. 1 SachBezV 1978 und 1979 festgelegten Werte als Mindestwerte anzusehen (BR-Drucks. 509/77, S. 9; 509/2/77, S. 2); eine weitere Minderung würde den gesetzlichen Auftrag, den tatsächlichen Verkehrswert der unbaren Bezüge zu ermitteln, verfehlen.

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c) Das FG hat die von dem Kläger beanspruchten anderweitigen Schätzungsmaßstäbe zu Recht nicht angewandt. Die Regelsätze des § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG - Regelsatzverordnung vom 20. Juli 1962 (BGBl I 1962, 515) - decken mit der Umschreibung eines sozialen Existenzminimums inhaltlich umfassend den notwendigen Lebensbedarf ab. Ausbildungsförderung nach § 11 Abs. 1 BAföG wird "für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet". Der Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 EStG wird gewährt für die typischen Unterhaltskosten einschließlich der Aufwendungen für Verpflegung und zusätzlich für Wohnung und Kleidung des Unterhaltenen (vgl. BFH-Urteil vom 5. September 1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31). Das Urteil in BFHE 119, 54, BStBl II 1976, 539 steht der Rechtsauffassung des erkennenden Senats nicht entgegen. In diesem Urteil hat der VI. Senat des BFH die vorstehend genannten Vergleichsmaßstäbe zur Begründung dafür herangezogen, daß für eine der Gewinnermittlung des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen (GDL) vom 15. September 1965 (BGBl I 1965, 1350) angepaßte Typisierung von Altenteilsleistungen durch Ansatz niedriger Pauschbeträge die Rechtsgrundlage fehlt. Eine Aussage des Inhalts, daß diese Vergleichsmaßstäbe verbindlich wären, enthält das Urteil des VI. Senats nicht.

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Das FG war auch nicht verpflichtet, sich an den von der Finanzverwaltung zur Bemessung des Eigenverbrauchs festgelegten Richtsätzen zu orientieren. Es ist nicht ersichtlich, mittels welchen "Warenkorbs" und welcher Bewertungsmaßstäbe diese Richtsätze ermittelt worden sind. Demgegenüber bieten die amtlichen Sachbezugswerte eine höhere Richtigkeitsgewähr. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß einzelne OFDen die Pauschsätze für Eigenverbrauch und Beköstigung bei buchführenden Landwirten an die Werte der SachBezV anknüpfen (z. B. OFD Frankfurt, Verfügung vom 28. Januar 1980, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Einkommensteuergesetz, § 13 Nr. 329; OFD Hannover, Verfügung vom 15. September 1980, StEK, Einkommensteuergesetz, § 13 Nr. 344; OFD Bremen, Verfügung vom 12. März 1981, StEK, Einkommensteuergesetz, § 13 Nr. 363).

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3. Soweit das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und einen weiteren Abzug von Sonderausgaben versagt hat, war sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FG hat keine Umstände festgestellt, die eine andere Bewertung der Sonderausgaben als nach den amtlichen Sachbezugswerten zuließen. Hiernach war die Einkommensteuer wie folgt neu festzusetzen:

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Für das Jahr 1978 mindert sich das zu versteuernde Einkommen um 610 DM (2 970 DM abzüglich 2 360 DM); die Einkommensteuer 1978 ist nach einer Bemessungsgrundlage von 9 943 DM auf 726 DM herabzusetzen. Für das Jahr 1979 mindert sich das zu versteuernde Einkommen um 499 DM (3 089 DM abzüglich 2 590 DM); die Steuer ist nach einer Bemessungsgrundlage von 11 271 DM auf 844 DM herabzusetzen.

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Im übrigen war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.