Steuersatz; Bemessungsgrundlage; Ausländische Einkünfte; Verlustabzug

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Hamburg

Rechtsgrundlagen:

§ 32b EStG 1975

§ 10d S. 2 EStG 1975

§ 10d S. 3 EStG 1975

Fundstellen:

BFHE 158, 530 - 532

BB 1990, 271 (amtl. Leitsatz)

BFH/NV 1990, 10

BStBl II 1990, 157-158 (Volltext mit amtl. LS)

DB 1990, 463 (Volltext mit amtl. LS)

HFR 1990, 182-183 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz:

Der besondere Steuersatz nach § 32b EStG bestimmt sich nach der Bemessungsgrundlage, die sich ergibt, wenn man die ausländischen Einkünfte auch für Zwecke des Verlustabzuges so ansetzt, als ob das DBA nicht anzuwenden sei.

Tatbestand:

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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person, die im Jahre 1976 aus der Beteiligung an einem in den USA gelegenen Gewerbebetrieb einen Verlust in Höhe von 168 745 DM erlitt. Dieser Verlust war nach Art. XV Abs. 1 Buchst. b (aa) i. V. m. Art. III des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern vom 22. Juli 1954 in der Fassung des Protokolls vom 17. September 1965 - DBA-USA 1954/65 - (BGBl II 1966, 745, BStBl I 1966, 865) von der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer auszunehmen. Dem Verlust standen im Inland steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von 307 385 DM, Sonderausgaben i. S. der §§ 10 und 10 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 73 936 DM sowie ein Verlustrücktrag aus dem Jahre 1977 in Höhe von 233 499 DM gegenüber. Dadurch ergab sich ein im Inland zu versteuerndes Einkommen 1976 der Klägerin von 0 DM.

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Für das Streitjahr 1975 wurde die Klägerin ursprünglich am 30. Oktober 1979 zur Einkommensteuer veranlagt. Gegen den Bescheid legte sie Einspruch ein. Aufgrund des Einspruchs ergingen am 19. November 1979 sowie am 2. Dezember 1981 Änderungsbescheide. Der zuletzt genannte Änderungsbescheid wurde bestandskräftig.

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Am 11. Januar 1983 beantragte die Klägerin, den Einkommensteuerbescheid 1975 gemäß § 10 d Satz 3 EStG dahin zu ändern, daß bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes gemäß § 32 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ein ausländischer Verlust aus dem Jahre 1976 in Höhe von 168 745 DM im Wege des Verlustrücktrags berücksichtigt werde. Bei dem Verlust handelt es sich um die Einkünfte der Klägerin 1976 aus dem in den USA gelegenen Gewerbebetrieb. Die Klägerin begründete ihren Antrag damit, daß sich der Verlust bei der Einkommensteuer 1976 nicht ausgewirkt habe.

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag am 3. November 1983 ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin ab.

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Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung der §§ 32 b und 10 d EStG.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Ablehnungsverfügung des FA vom 3. November 1983 aufzuheben sowie das FA zu verpflichten, einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1975 zu erlassen und die Einkommensteuer auf 86 668 DM herabzusetzen.

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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

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1. Nach § 10 d Sätze 2 und 3 EStG sind bei einem Verlust, der bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nicht ausgeglichen werden konnte, die für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume bereits erlassenen Steuerbescheide, selbst wenn sie unanfechtbar geworden sind, insoweit zu ändern, als der Verlustabzug zu gewähren oder zu berichtigen ist. Der erkennende Senat versteht dies in Übereinstimmung mit Abschn. 185 Abs. 2 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) dahin, daß eine Änderung bestandskräftiger Bescheide verfahrensrechtlich immer dann möglich ist, wenn materiell-rechtlich ein Verlust abzuziehen ist, dessen Berücksichtigung vorher nicht möglich war. Die Änderungsmöglichkeit greift auch dann ein, wenn die Berücksichtigung des Verlustabzuges lediglich zum Zwecke der Ermittlung des besonderen Steuersatzes gemäß § 32 b EStG in Betracht kommt. In einem solchen Fall ist § 10 d Sätze 2 und 3 EStG sinngemäß anzuwenden. Entsprechend scheitert das Klagebegehren nicht schon an dem Fehlen einer Rechtsgrundlage i. S. des § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d der Abgabenordnung (AO 1977) für die Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 1975 vom 2. Dezember 1981.

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2. Allerdings sieht § 32 b EStG 1975 nur die Einbeziehung der ausländischen Einkünfte in die Berechnung der Einkommensteuer vor, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind. Die Vorschrift läßt sich nicht unmittelbar darüber aus, ob die Einbeziehung der ausländischen Einkünfte auch die Berücksichtigung eines Verlustabzuges mitumfaßt, der durch die Einbeziehung der ausländischen Einkünfte erhöht oder gemindert werden kann, und wie ggf. der Verlustabzug durchzuführen ist. Der Gesetzeswortlaut trägt insoweit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Mai 1970 I R 146/68 (BFHE 99, 572, BStBl II 1970, 755) keine Rechnung. Letztlich bedarf es jedoch keiner Entscheidung darüber, welche Konsequenzen aus dieser Feststellung zu ziehen sind.

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3. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, daß ein Verlustabzug auch bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes gemäß § 32 b EStG zu berücksichtigen ist, dann kann dies für die Klägerin günstigstenfalls bedeuten, daß sich der besondere Steuersatz nach der Bemessungsgrundlage bestimmt, die sich ergibt, wenn man die ausländischen Einkünfte auch für Zwecke des Verlustabzuges so ansetzt, als ob das DBA-USA 1954/65 nicht anzuwenden sei. Für einen weitergehenden Verlustabzug fehlt jede Rechtsgrundlage. Ermittelt man den Gesamtbetrag der Einkünfte 1976 für Zwecke eines Verlustrücktrages nach 1975 auf dieser Grundlage, so stehen den positiven Inlandseinkünften in Höhe von 307 385 DM negative DBA-Einkünfte von 168 745 DM gegenüber, weshalb sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte 1976 von + 138 640 DM ergibt. Dieser positive Gesamtbetrag der Einkünfte ist nicht rücktragsfähig. Es fehlt insoweit an den Voraussetzungen des § 10 d Satz 1 EStG. Zwar ist als Folge des Ausgleichs der positiven Inlandseinkünfte mit den negativen DBA-Einkünften auch der Verlustrücktrag von 1977 nach 1976 um 168 745 DM zu kürzen. Der insoweit freigewordene Verlustrücktrag kann jedoch für Zwecke der Einkommensteuer 1975 nicht nutzbar gemacht werden, weil der zweijährige Verlustrücktrag erst durch das Haushaltsstrukturgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) eingeführt wurde und erstmals für nicht ausgeglichene Verluste des Veranlagungszeitraums 1982 gilt.

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4. Die Vorentscheidung entspricht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie verletzt deshalb kein Bundesrecht. Entsprechend ist die Revision unbegründet.