Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Prüfungsanordnung; Adressat; Bekanntgabe gegenüber Gesellschaftern

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Nürnberg

Fundstellen:

BFHE 159, 28 - 31

BB 1990, 910-911 (Volltext mit amtl. LS)

BB 1990, 412 (amtl. Leitsatz)

BFH/NV 1990, 17

BStBl II 1990, 272-274 (Volltext mit amtl. LS)

DB 1990, 919-920 (Volltext mit amtl. LS)

DStR 1990, 139-140 (Volltext mit amtl. LS)

HFR 1990, 168-169 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz:

Soll bei einer GbR eine Außenprüfung durchgeführt werden, muß die Prüfungsanordnung an die Gesellschaft gerichtet und dieser, nicht den Gesellschaftern, bekanntgegeben werden.

Tatbestand:

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war mit ihrem Ehemann Gesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die Gesellschaft hatte früher in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG) eine ... großhandlung betrieben. Zum 1. Januar 1974 verpachtete die KG ihren Betrieb an eine aus den Kindern ihrer Gesellschafter gebildete neue KG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ordnete im Oktober 1984 eine Außenprüfung bei der GbR für die Jahre 1980 bis 1982 an. Die Anordnung ist gerichtet an A-GdbR, zu Händen Herrn B, Großhandel mit ... Im Anschreiben heißt es: "Die Bekanntgabe erfolgt mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten". Der Ehemann der Klägerin ist 1985 verstorben; im Wege der Erbauseinandersetzung übernahm die Klägerin seinen Anteil an der GbR, so daß die Gesellschaft sich in ein Einzelunternehmen verwandelte.

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Gegen die Prüfungsanordnung legte der Steuerberater der GbR im November 1984 Beschwerde ein. Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies diese Beschwerde zurück, weil die GbR als Verpächterin eines Betriebes nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) der Außenprüfung unterlegen habe. Der Betrieb der Klägerin sei als Mittelbetrieb einzustufen. Er werde in relativ kurzem Abstand geprüft. Dies sei im Hinblick auf § 18 Nr. 2 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - BpO(St) - jedoch deshalb gerechtfertigt, weil die Eheleute auch die Gesellschafter eines mit der GbR verbundenen Unternehmens seien, Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Der Erlaß der Prüfungsanordnung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

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Die Prüfungsanordnung ist zutreffend gegen die vormalige GbR gerichtet und dieser wirksam bekanntgegeben worden.

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a) Nach § 193 Abs. 1 AO 1977 ist die Außenprüfung zulässig bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten; sie müssen die Prüfung dulden. Als Steuerpflichtige in diesem Sinne kommt auch eine Personengesellschaft in Betracht. Dies ergibt sich insbesondere aus der Vorschrift des § 194 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 (ebenso Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Juli 1985 VIII R 48/85, BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433); darin wird geregelt, inwieweit anläßlich der Außenprüfung bei einer Personengesellschaft die steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter mitgeprüft werden dürfen. Hieraus folgt, daß als Adressat der Prüfungsanordnung die Gesellschaft, nicht ihre Gesellschafter vorgesehen ist. Dies steht in Einklang mit § 33 Abs. 1 AO 1977. Danach ist Steuerpflichtiger, wer eine Steuer schuldet, wer für eine Steuer haftet, wer eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, wer Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat. Diese Voraussetzungen werden auch von einer Personengesellschaft erfüllt, die Schuldnerin der Umsatz- und Gewerbesteuer ist und die ihrerseits Buchführungsund Aufzeichnungspflichten gemäß den §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB), 140 ff. AO 1977 nachzukommen hat; nach § 34 AO 1977 werden die steuerlichen Pflichten von den geschäftsführenden Gesellschaftern als Organ der Gesellschaft erfüllt. In dieser Weise hat die Personengesellschaft auch die ihr durch § 200 AO 1977 auferlegten Mitwirkungspflichten in der Außenprüfung zu erfüllen.

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b) Da die Prüfungsanordnung demnach für die Personengesellschaft bestimmt ist, muß sie dieser auch bekanntgegeben werden (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Wenn § 197 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 vorsieht, daß die Prüfungsanordnung dem Steuerpflichtigen bekanntzugeben ist, bei dem die Außenprüfung durchgeführt werden soll, so ist danach die Personengesellschaft Empfängerin der Prüfungsanordnung. Dies ergibt sich zusätzlich aus § 197 Abs. 1 Satz 3 AO 1977, Danach ist die Prüfungsanordnung auch den Gesellschaftern bekanntzugeben, sofern sich die Prüfung auch auf ihre steuerlichen Verhältnisse erstrecken soll; sonst ist Empfängerin der Prüfungsanordnung nur die Personengesellschaft.

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Da sich die Prüfungsanordnung anders als ein Bescheid über die Feststellung des Gewinns oder des Vermögens der Gesellschaft nicht gegen die Gesellschafter, sondern gegen die Gesellschaft als eine rechtlich verselbständigte Organisation richtet, erfolgt die Bekanntgabe nicht nach den Vorschriften des § 183 Abs. 1 AO 1977. Sie folgt vielmehr den Regeln, die auch sonst für die Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten gegenüber einer Personengesellschaft gelten. Nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 wird die Gesellschaft durch ihre gesetzlichen Vertreter, d. h. ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter als ihre Organe tätig. Diesen sind auch die für die Gesellschaft bestimmten Steuerverwaltungsakte bekanntzugeben. In diesem Sinne ist auch § 7 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zu verstehen. Danach wird bei nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen an ihre Vorsteher förmlich zugestellt; als solche sind bei Personengesellschaften ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter anzusehen.

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Im Falle der BGB-Gesellschaft sind nach den §§ 709, 714 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) grundsätzlich alle Gesellschafter vertretungsberechtigt; für eine abweichende Regelung vom Gesellschaftsvertrag hat das FG im Streitfall nichts festgestellt. Obwohl danach eine gemeinschaftliche Vertretung der Gesellschaft durch sämtliche Gesellschafter anzunehmen ist, konnte die Prüfungsanordnung doch nur einem der Gesellschafter bekanntgegeben werden. Dies ist nach § 7 Abs. 3 VwZG im Falle der förmlichen Zustellung zulässig. Diese Regelung entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch für die im Streitfall gewählte vereinfachte Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO 1977 gilt. Der Senat hat hierzu in seinem Urteil vom 23. Juni 1988 IV R 33/86 (BFHE 154, 203, BStBl II 1988, 979) Ausführungen gemacht, auf die verwiesen wird.

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c) Die Klägerin ist durch das Ausscheiden ihres Ehemannes und der Erbengemeinschaft als Gesellschafter durch Anwachsung nach § 738 Abs. 2 BGB Inhaberin des Vermögens der BGB-Gesellschaft geworden, die dadurch voll beendet wurde. Die Klägerin ist somit Gesamtrechtsnachfolgerin der BGB-Gesellschaft; damit ist entsprechend § 45 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 auch die durch die Prüfungsanordnung begründete Duldungspflicht auf sie übergegangen.

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2. Die tatsächlichen Feststellungen des FG erlauben jedoch keinen Rückschluß darauf, ob auch die sachlichen Voraussetzungen einer Außenprüfung erfüllt waren.

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Die GbR unterhielt allerdings auch nach der Verpachtung ihres Unternehmens einen Gewerbebetrieb, der gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 einer Außenprüfung unterzogen werden konnte. Bei der seit dem 1. Januar 1974 auf die Verpachtung beschränkten Gesellschaft ist jedoch bereits für die Jahre 1975 bis 1977 eine Betriebsprüfung durchgeführt worden; in der früheren Zeit haben Betriebsprüfungen für die Jahre 1966 bis 1969 und 1970 bis 1973 stattgefunden. Die Klägerin ist danach auffallend häufig geprüft worden.

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§ 193 Abs. 1 AO 1977 enthält keine Regeln für die Häufigkeit von Außenprüfungen; die Vorschrift läßt auch eine kontinuierliche Prüfung mit Anschlußprüfungen zu. Angesichts ihrer begrenzten sachlichen und personellen Mittel können die Finanzbehörden aber nicht bei allen Steuerpflichtigen, bei denen dies zulässig wäre, auch tatsächlich eine Außenprüfung durchführen. Sie müssen vielmehr eine Auswahl treffen. Dieses Auswahlermessen hat die Finanzverwaltung in der BpO(St) vom 27. April 1978 (BStBl I 1978, 195) geregelt. Nach § 4 BpO(St) werden Großbetriebe lückenlos, andere Betriebe dagegen in zeitlichem Abstand geprüft. Der Betrieb der GbR war unstreitig gemäß § 3 BpO(St) als Mittelbetrieb eingestuft, so daß Anschlußprüfungen nicht infrage kamen. Demgemäß mußte die GbR mit Prüfungen nach dem allgemeinen Prüfungsrhythmus rechnen, wobei sich Abweichungen von einem statistischen Mittelwert nach oben oder unten ergeben können.

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Das FG hat hierzu angenommen, die GbR sei in einem Zufallsverfahren zur Prüfung ausgewählt worden. Seine tatsächlichen Feststellungen ergeben jedoch nicht, welches Zufallsverfahren das FA angewendet hat und wie es hierbei zur Auswahl der GbR gekommen ist. Zudem hat sich die Finanzbehörde selbst nicht auf ein derartiges Verfahren berufen. Der Prüfungsanordnung war keine Begründung beigefügt. Sie ist erst in der Beschwerdeentscheidung enthalten und umfaßt auch Ausführungen über die Ausübung des Auswahlermessens. Gegen die Nachholung der Begründung ist nichts einzuwenden (BFH-Urteil vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208).

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Soweit es um die Nachprüfung der Ermessensentscheidung geht, sind die von der OFD mitgeteilten Gründe maßgebend. Danach ist die GbR vor allem deshalb geprüft worden, weil in ihrem Fall die Voraussetzungen des § 18 Nr. 2 BpO(St) vorgelegen hätten. Nach dieser Vorschrift kann, sofern ein besonderes Interesse besteht, eine einheitliche Prüfung bei Unternehmen durchgeführt werden, die z. B. durch wirtschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen eng miteinander verbunden sind. Darin liegt ein sachgerechter Grund für ein Abgehen vom sonst geltenden Prüfungsturnus; dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 26. Februar 1987 IV R 109/86 (BFHE 149, 101, BStBl II 1987, 361) entschieden. Aus der Beschwerdeentscheidung ergibt sich jedoch nicht, mit welchem anderen Unternehmen die GbR eng verbunden gewesen sein soll, ob bei diesem Unternehmen für den fraglichen Zeitraum ebenfalls eine Prüfung angeordnet war, ob ferner eine einheitliche Prüfung für beide Unternehmen durchgeführt werden sollte und ob schließlich ein besonderes Interesse für eine einheitliche Prüfung bestand. Sollten diese Fragen zu bejahen sein, so ist es unschädlich, wenn an dem mitgeprüften Unternehmen nicht die Gesellschafter der GbR, sondern deren Kinder beteiligt waren. Das FG wird dem FA insoweit Gelegenheit zur Ergänzung seines Vortrags geben und die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen müssen.