Betriebsaufgabe; Privatvermögen; Grundstück; Gemeiner Wert; Verkehrswert; Schätzung; Wertermittlungsverfahren; Ertragswertverfahren

Verfahrensgang:

vorgehend:

Schleswig-Holsteinisches FG

Rechtsgrundlagen:

§ 16 Abs. 3 EStG

WertV vom 15. August 1972 (BGBl I, 1417)

Fundstellen:

BFHE 159, 505 - 513

BB 1990, 1180-1182 (Volltext mit amtl. LS)

BB 1990, 990 (amtl. Leitsatz)

BFH/NV 1990, 43

BStBl II 1990, 497-500 (Volltext mit amtl. LS)

DB 1990, 1380 (amtl. Leitsatz)

DStR 1990, 348-349 (Volltext mit amtl. LS)

GuG 1992, 217-219 (Volltext mit amtl. LS)

HFR 1990, 363-364 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz:

1. Der gemeine Wert der im Rahmen einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) in das Privatvermögen überführten Grundstücke und Gebäude entspricht in der Regel dem Verkehrswert.

2. Der Verkehrswert kann auf der Grundlage der Verordnung über die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken in der Fassung vom 15. August 1972 (BGBl I, 1417) geschätzt werden. Welches Wertermittlungsverfahren (Vergleichswert-, Sachwert- oder Ertragswertverfahren) hierbei zugrunde zu legen ist, ergibt sich aus den Gegebenheiten des Einzelfalls. Der Wert von Geschäftsgrundstücken, die üblicherweise vermietet werden, ist im allgemeinen nach dem Ertragswertverfahren zu schätzen.

Tatbestand:

1

Die Kläger, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betrieb einen Einzelhandel in einem ihm gehörenden Gebäude.

2

Das Gebäude war teilweise zum Kulturdenkmal erklärt worden. Es wurde fast ausschließlich betrieblich genutzt. Im Keller befanden sich Lagerräume, im Erd- und Obergeschoß befanden sich Geschäftsräume mit einer Passage sowie Büro- und Aufenthaltsräume. Das Ober- und Dachgeschoß wurde teilweise auch zu Wohnzwecken genutzt. Das Grundstück samt Gebäude war in vollem Umfang als Betriebsvermögen bilanziert.

3

Ende des Jahres 1978 stellte der Kläger seinen Betrieb ein. Er veräußerte die noch vorhandenen Waren im Rahmen eines Schlußverkaufs und verschrottete die Einrichtungsgegenstände. Gegenüber dem Ordnungsamt der Stadt ... erklärte er, daß er seinen Betrieb zum 31. Dezember 1978 aufgebe. Das Betriebsgrundstück vermietete er ab 1. Januar 1979 auf die Dauer von 20 Jahren; außerdem wurde in einer Ergänzung des Mietvertrags eine zweimalige Option zur Fortsetzung des Mietverhältnisses für jeweils fünf Jahre vereinbart. Der Mieter sollte das Recht haben, die Räume zu allen Zwecken zu benutzen und auch unterzuvermieten.

4

Der Mieter vermietete das gesamte Grundstück an den Inhaber eines Imbißbetriebs. Dieser führte in dem Gebäude im Jahre 1979 umfangreiche Umbauarbeiten durch. Aus den Betriebsräumen des bisherigen ... handels entstanden Imbißverkaufs- und -verzehrräume, eine Vorbearbeitungsküche, Lager-, Kühl-, Sozial- und WC-Räume.

5

Mit Schreiben vom 1. März 1979 teilte der Kläger dem Beklagten, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionskläger (Finanzamt - FA -) mit, daß er das Grundstück im Rahmen eines ruhenden Gewerbebetriebs vermietet habe. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1979 bis 1980 erklärte der Kläger seine Mieteinnahmen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

6

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, das Einzelhandelsgeschäft des Klägers sei durch die Vermietung des Grundstücks zum 31. Dezember 1978 aufgegeben worden. Bei der Ermittlung des Aufgabegewinns (§ 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) zum 31. Dezember 1978 sei das Grundstück mit seinem gemeinen Wert anzusetzen.

7

Das FA ließ den gemeinen Wert von einem Bausachverständigen feststellen und ermittelte auf der Grundlage des so ermittelten Werts folgenden Entnahmegewinn:

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Grund und Boden

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Buchwert 8 820 DM

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Gemeiner Wert 234 000 DM

11

Entnahmegewinn 225 180 DM

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Gebäude

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Buchwert 83 789 DM

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Gemeiner Wert 341 000 DM

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Entnahmegewinn 257 211 DM

16

Gewinn aus der

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Entnahme des Grundstücksinsgesamt 482 391 DM

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Das FA berücksichtigte ferner, daß sich die Bemessungsgrundlage für die in den Jahren 1979 bis 1981 anzusetzende Absetzung für Abnutzung (AfA) für das Gebäude durch Aufdeckung der im Gebäude ruhenden stillen Reserven verändert hat. Der AfA-Bemessungsgrundlage vor der Betriebsprüfung (101 950 DM) seien die aufgedeckten stillen Reserven (257 211 DM) hinzuzurechnen (= 359 161 DM). Die AfA betrage jährlich 3 v. H. von 359 161 DM = 10 775 DM.

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Auf dieser Grundlage änderte das FA die Einkommensteuerbescheide für 1978 bis 1980 und führte für 1981 erstmalig eine Einkommensteuerveranlagung durch.

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Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machten die Kläger geltend, der Kläger habe seinen Betrieb nicht aufgegeben. Eine Betriebsaufgabe hätte nur angenommen werden können, wenn der Kläger ausdrücklich erklärt hätte, den Betrieb aufzugeben, und eine entsprechende Entnahmehandlung eindeutig hätte festgestellt werden können. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Außerdem sei der Entnahmegewinn vom FA zu hoch angesetzt worden. Ein Grundstückswert von 310 501 DM sei angemessen.

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Das Finanzgericht (FG) hat zum Wert des Grundstücks ein Gutachten von dem Grundstückssachverständigen X eingeholt. Das Gutachten enthält sowohl eine Schätzung nach dem Sachwertverfahren (Bodenwert = 176 000 DM, Gebäudewert = 151 000 DM) als auch nach dem Ertragswertverfahren. Der Ertragswert des Grundstücks wurde in der Weise geschätzt, daß der Sachwert des Grund und Bodens (176 000 DM) und der (auf Vergleichsmietsätzen beruhende) Gebäudeertragswert (= 323 000 DM) zusammengerechnet wurden (= 499 000 DM). Nach Abzug eines "Reparaturstaus" von 29 000 DM wurde der Verkehrswert des Gebäudegrundstücks mit 470 000 DM ermittelt.

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Das FG gab der Klage zu einem geringen Teil statt und wies sie im übrigen ab. Der Kläger habe seinen Betrieb mit Ablauf des Jahres 1978 nicht nur vorübergehend eingestellt, sondern aufgegeben. Im Falle einer Betriebsverpachtung könne der Betriebsinhaber zwar wählen, ob er den Betrieb fortführen oder aufgeben wolle. Die Ausübung eines solchen Wahlrechts setze jedoch voraus, daß der Steuerpflichtige seinen Gewerbebetrieb als solchen verpachte und der Pächter im wesentlichen das vom Verpächter betriebene Unternehmen fortsetze (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. April 1967 VI R 240/66, BFHE 88, 417, BStBl III 1967, 420). An einer Betriebsverpachtung fehle es jedoch, wenn anläßlich der Verpachtung wesentliche Betriebsgrundlagen so umgestaltet werden, daß sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden könnten. In diesem Fall stelle der Verpächter die werbende Tätigkeit ein, und der Pächter setze den übernommenen Betrieb nicht fort, sondern eröffne einen anderen. Das sei insbesondere der Fall, wenn der Verpächter seine Geschäftseinrichtung vernichte, das Umlaufvermögen veräußere und der Pächter auf dem Grundstück ein anderes, einer wesensverschiedenen Branche zuzurechnendes Geschäft betreibe (BFH-Urteil vom 26. Juni 1975 IV R 122/71, BFHE 116, 540, BStBl II 1975, 885). Hiernach müsse im Streitfall davon ausgegangen werden, daß der Kläger im Jahre 1978 seinen Betrieb aufgegeben und den - aus der Auflösung der stillen Reserven sich ergebenden - Gewinn zu versteuern habe. - Im Rahmen der Ermittlung des Aufgabegewinns sei das in das Privatvermögen überführte Geschäftsgrundstück des Klägers mit seinem gemeinen Wert anzusetzen (§ 16 Abs. 3 EStG). Zur Schätzung des gemeinen Werts sei im Anschluß an das Gutachten des Sachverständigen X von einem Sachwert des Grund und Bodens von 176 000 DM auszugehen. Für das Gebäude sei - unter Zugrundelegung des vom Gutachter eingeschlagenen Verfahrens, aber unter Verwendung des tatsächlich erzielten Mietpreises - ein Ertragswert von "mindestens" 399 000 DM anzusetzen; das ergebe den vom FA angesetzten gemeinen Wert von (234 000 DM + 341 000 DM =) 575 000 DM. Der Ansatz eines höheren Ertragswerts sei wegen des Verbots der Verböserung (§ 96 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) nicht möglich. - Die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1979 bis 1981 seien zu ändern, weil das FA bei der Berechnung der AfA für die Jahre 1979 bis 1981 von einer zu geringen Bemessungsgrundlage ausgegangen sei. Anstelle des vom FA für das Gebäude angesetzten Betrags von 341 000 DM sei von einem Gebäudewertanteil von 399 000 DM auszugehen. Daraus errechne sich eine um 58 000 DM höhere Bemessungsgrundlage. Bei einem Abschreibungssatz von 3 v. H. ergäben sich für die Jahre 1979 bis 1981 jeweils um 1 740 DM höhere AfA-Beträge.

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Mit ihrer - vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassenen - Revision rügen die Kläger, daß das FG das Grundstück fehlerhaft bewertet habe. Der nach § 16 Abs. 3 EStG anzusetzende gemeine Wert von Grundstücken und Gebäuden sei regelmäßig der nach dem Sachwertverfahren ermittelte Verkehrswert (BFH-Urteil vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456). Im Streitfall habe aber das FG zur Ermittlung des Verkehrswerts des Gebäudes den Sachwert nicht berücksichtigt. Es habe vielmehr einen höheren Wert angesetzt mit der Begründung, er - der Kläger - habe mit einem überdurchschnittlich hohen Ertrag rechnen können. Dies laufe darauf hinaus, daß das Sachwertverfahren nur anzuwenden sei, wenn bei Anwendung des Ertragswertverfahrens kein höherer Wert ermittelt werde.

24

Die Kläger beantragen sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für die Streitjahre unter Zugrundelegung eines gemeinen Werts des Grundstücks von 327 000 DM herabzusetzen.

25

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es beantragt außerdem im Wege der Anschlußrevision, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für 1979 auf ... DM, für 1980 auf ... DM und für 1981 auf ... DM festzusetzen.

26

Zur Begründung seiner Anschlußrevision führt das FA aus, die AfA-Berechnung des FG sei unrichtig. Nach Abschn. 42 a Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1984 sei die AfA für Gebäude, die aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt werden, nach dem gemeinen Wert (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG) zu bemessen, mit dem das Gebäude bei der Überführung steuerlich erfaßt worden sei. Die jährliche AfA betrage hiernach ab 1979 3 v. H. von 399 000 DM = 11 970 DM.

27

Die Kläger halten die Anschlußrevision des FA für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.

Entscheidungsgründe

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1. Das FG hat zu Recht angenommen, daß der Kläger zum 31. Dezember 1978 seinen Betrieb aufgegeben hat.

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Eine Aufgabe des Gewerbebetriebs im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG liegt vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Betriebsinhabers, den Betrieb aufzugeben, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang entweder in das Privatvermögen überführt oder veräußert werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81, BFHE 140, 526, BStBl II 1984, 474).

30

Bei Verpachtung eines Betriebs kann der Verpächter grundsätzlich wählen, ob er den Vorgang der Verpachtung als Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) behandeln oder ob er das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen will mit der Folge, daß die im verpachteten Betrieb vorhandenen stillen Reserven vorerst nicht aufgedeckt werden (BFH-Urteil vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Dieses Wahlrecht entfällt aber, wenn anläßlich der Verpachtung die wesentlichen Betriebsgrundlagen so umgestaltet werden, daß sie nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden können. In diesem Fall stellt der Verpächter die werbende Tätigkeit endgültig ein. Der Pächter setzt den übernommenen Betrieb nicht fort, sondern eröffnet einen anderen (BFH-Urteil vom 19. Januar 1983 I R 84/79, BFHE 138, 50, BStBl II 1983, 412, m. w. N.). Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn der Verpächter seine Geschäftseinrichtung vernichtet, das Umlaufvermögen veräußert und der Pächter auf dem Grundstück ein Gewerbe anderer Branche betreibt (Urteil in BFHE 116, 540, BStBl II 1975, 885).

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Im Streitfall kann dahinstehen, ob überhaupt eine Betriebsverpachtung in dem oben bezeichneten Sinn vorlag. Selbst wenn man in der Vermietung des Grundstücks eine Betriebs-"Verpachtung" sähe, müßte nach der Rechtsprechung des BFH unter den gegebenen Umständen der bisherige Betrieb des Klägers als aufgegeben angesehen werden. Der Kläger hat alle noch vorhandenen Waren im Rahmen eines Schlußverkaufs veräußert, die Einrichtungsgegenstände verschrottet und sich damit einverstanden erklärt, daß die bisher als Laden eines ... geschäfts genutzten Räume in einen Imbißbetrieb umgebaut wurden. Er hat damit hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er seinen bisherigen Betrieb aufgibt.

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2. Das FG hat auch den Gewinn aus der Betriebsaufgabe in einer Weise ermittelt, die keine Fehler erkennen läßt.

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a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Aufgabegewinn nach § 16 Abs. 3 Sätze 2 und 3 i. V. m. Abs. 2 EStG zu ermitteln ist. Hiernach ist zunächst die Summe der Veräußerungserlöse der im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter sowie der gemeine Wert der nicht veräußerten, in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter zu ermitteln; dieser Betrag ist dem Buchwert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe gegenüberzustellen. Der Unterschied zwischen diesen Werten - abzüglich etwaiger Aufgabe- und Veräußerungskosten - ergibt den Aufgabegewinn (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1983 I R 76/79, BFHE 140, 182, BStBl II 1984, 294).

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b) Der gemeine Wert der im Rahmen der Betriebsaufgabe in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter ist nach § 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 16 Anm. 51 b). Nach § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der einzelnen Wirtschaftsgüter bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Der gemeine Wert bei Grundstücken und Gebäuden entspricht in der Regel dem Verkehrswert (Urteil in BFHE 140, 182, BStBl II 1984, 294).

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Der Verkehrswert eines Grundstücks läßt sich vielfach - wie auch im Streitfall - nur durch Schätzung ermitteln. Schätzungen gehören zu den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der BFH als Revisionsinstanz gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, wenn sie keinen Rechtsirrtum enthalten, nicht gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen und nicht auf Verfahrensmängeln beruhen (BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252).

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c) Gegen die vom FG vorgenommene Schätzung lassen sich keine Einwendungen erheben. Das vom FG seiner Schätzung zugrunde gelegte Gutachten des Sachverständigen X geht von den Schätzungsgrundsätzen aus, die nach der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken - Wertermittlungsverordnung (WertV) - in der Fassung vom 15. August 1972 (BGBl I, 1417) zur Ermittlung von Grundstückswerten nach dem Bundesbaugesetz (BBauG) und dem Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) anzuwenden sind. Da die in der WertV enthaltenen Grundsätze für die Schätzung der Verkehrswerte von Grundstücken allgemein anerkannt sind (BFH-Urteil in BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252, m. w. N.), können sie auch den Schätzungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zugrunde gelegt werden.

37

Daß der im Streitfall auf dieser Grundlage ermittelte Verkehrswert des Gebäudes nicht nach dem Sachwertverfahren (auf der Grundlage des sog. "Bauwerts"), sondern nach dem Ertragswertverfahren ermittelt wurde, läßt sich nicht beanstanden. Die Wertermittlung nach dem Sachwertverfahren, dem Ertragswertverfahren (und dem Vergleichswertverfahren) stehen einander gleichwertig gegenüber: Welchem Ermittlungsverfahren der Vorzug zu geben ist, ergibt sich aus den Gegebenheiten des Einzelfalls (Rößler/Langner/Simon, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 5. Aufl., 1986, S. 32 f.). Die vom I. Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456 geäußerte Ansicht, daß der gemeine Wert von Grundstücken und Gebäuden regelmäßig nach dem Sachwertverfahren zu ermitteln sei, findet in der WertV keine Grundlage.

38

Bei Geschäftsgrundstücken, die üblicherweise vermietet werden (Bürohäuser, Ladengeschäfte) bietet sich das Ertragswertverfahren an, da hier der Grundstückswert im wesentlichen durch den nachhaltig erzielbaren Grundstücksertrag bestimmt wird (Rößler/Langner/Simon, a. a. O., S. 27).

39

Daß das FG - insofern abweichend vom Gutachten - bei der Ermittlung des Gebäudeertragswerts nicht die ortsüblichen, sondern die im Streitfall tatsächlich gezahlten Mietzinsen zugrunde gelegt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 9 der WertV ist bei der Ermittlung des Gebäudeertragswerts "von dem nachhaltig erzielbaren jährlichen Reinertrag" auszugehen, wobei sich der Reinertrag aus dem Rohertrag abzüglich der Bewirtschaftungskosten ergibt. Der hiernach zunächst zu ermittelnde Rohertrag umfaßt alle Einnahmen, die bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig aus dem Grundstück erzielbar sind (vgl. § 10 WertV). Mit den Einnahmen sind grundsätzlich die tatsächlich gezahlten Mieten gemeint, sofern sie nachhaltig erzielt werden können (Rößler/Langner/Simon, a. a. O., S. 160). Eine Ausnahme kann sich allerdings in Fällen ergeben, in denen Gebäude oder Gebäudeteile zu einem vom üblichen Mietzins abweichenden Entgelt vermietet werden, z. B. bei Mietvereinbarungen unter Verwandten und dgl.; hier sind die üblicherweise erzielbaren Einnahmen zugrunde zu legen (Rößler/Langner/Simon, a. a. O., S. 161). Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Das FG konnte vielmehr zu dem Ergebnis kommen, daß der vom Kläger auf die Dauer von 20 Jahren fest vereinbarte Mietzins eine "nachhaltig erzielbare Größe" darstellt, auch wenn es sich hierbei nach Ansicht des Sachverständigen im Vergleich zu anderen Mieten um einen "Ausreißer" gehandelt haben sollte.

40

Schließlich ist dem FG auch darin zuzustimmen, daß es bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns den von ihm ermittelten Verkehrswert des Grundstücks nicht höher ansetzen durfte als vom FA angenommen wurde (575 000 DM); anderenfalls wäre das Verbot der Verböserung (vgl. hierzu Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 96 Anm. 5) verletzt worden.

41

II. Die Anschlußrevision des FA führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur anderweitigen Festsetzung der Steuer für die Streitjahre 1979 bis 1981.

42

1. Die Anschlußrevision des FA ist zulässig.

43

Die FGO sieht eine Anschlußrevision zwar nicht ausdrücklich vor; gleichwohl ist sie auch im finanzgerichtlichen Verfahren statthaft (BFH-Zwischenurteil vom 8. April 1981 II R 4/78, BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534). Der Revisionsbeklagte, der keine selbständige Revision eingelegt hat, kann innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung Anschlußrevision einlegen; innerhalb dieser Frist hat er sie auch zu begründen.

44

Die zeitlichen Anforderungen sind im Streitfall erfüllt. Nachdem dem FA durch eingeschriebenen Brief vom 3. Dezember 1986 die Revisionsbegründung übermittelt worden war, hat es durch einen am 29. Dezember 1986 beim BFH eingegangenen Schriftsatz Anschlußrevision eingelegt und begründet.

45

Entgegen der Auffassung der Kläger genügt die Anschlußrevision auch den inhaltlichen Anforderungen. Im Fall der Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist die Anschlußrevision - ebenso wie die Revision - nicht an den Zulassungsgrund gebunden (Gräber/Ruban, Finanzgerjchtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 46). Im Streitfall brauchte sich die Anschlußrevision demgemäß nicht auf die Frage der Grundstückswertermittlung zu beziehen, derentwegen die Revision zugelassen worden war; sie konnte vielmehr auch die Höhe der AfA zum Gegenstand haben.

46

2. Die Anschlußrevision ist auch begründet. Bei der Ermittlung der AfA ist das FG von unrichtigen Werten ausgegangen.

47

Zwar hat das FG zutreffend angenommen, daß die AfA auf ein Gebäude, das im Rahmen einer Betriebsaufgabe aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt wird, nach dem gemeinen Wert des Gebäudes im Zeitpunkt der Überführung zu bemessen ist. Der gemeine Wert, mit dem das Gebäude bei der Überführung steuerlich erfaßt wird, ist den für die Bemessung der AfA maßgebenden Anschaffungskosten im Sinne des § 7 EStG gleichzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1983 VIII R 177/80, BFHE 139, 187, BStBl II 1983, 759). Hiernach ist als Bemessungsgrundlage für die AfA auf das im Streitfall in das Privatvermögen überführte Gebäude ein Betrag von 399 000 DM anzusetzen. Die jährliche AfA hieraus beträgt ab 1979 3 v. H. von 399 000 DM = 11 970 DM.

48

Das FG ist dagegen bei seiner AfA-Berechnung irrtümlich davon ausgegangen, daß die vom FA angesetzte Bemessungsgrundlage 341 000 DM betragen habe und dieser Betrag um 58 000 DM erhöht werden müsse, um auf die von ihm für zutreffend angesehene Bemessungsgrundlage von 399 000 DM zu gelangen; demgemäß hat das FG die jährliche AfA-Erhöhung aus dem Unterschiedsbetrag von (399 000 DM ./. 341 000 DM =) 58 000 DM errechnet (3 v. H. von 58 000 DM = 1 740 DM). Tatsächlich hatte das FA aber - entsprechend einer früheren Verwaltungsanweisung (vgl. Abschn. 42 a Abs. 3 EStR 1981) - als Bemessungsgrundlage für die AfA nicht 341 000 DM, sondern (101 950 DM + 257 211 DM =) 359 161 DM angesetzt.