Umzug; Aufwendungen

Rechtsgrundlage:

§ 9 Abs. 1 EStG

Fundstellen:

BFHE 168, 83 - 85

BB 1993, 491-492 (Volltext mit amtl. LS)

BB 1992, 1708 (Kurzinformation)

BFH/NV 1992, 67

BStBl II 1993, 192-193 (Volltext mit amtl. LS)

DB 1993, 668 (Volltext)

DStR 1992, 1204 (Volltext mit amtl. LS)

DStZ 1992, 603 (Volltext mit amtl. LS)

HFR 1992, 608-609 (Volltext mit amtl. LS)

NWB 1993, 4611

Amtlicher Leitsatz:

Wer aus beruflichen Gründen umzieht, kann die Aufwendungen für die Anschaffung von Bekleidung, die wegen des mit dem Umzug verbundenen Klimawechsels erforderlich wird, nicht als Werbungskosten (Umzugskosten) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen.

Tatbestand:

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein japanischer Staatsbürger, wurde von seiner Arbeitgeberin für eine Zeit von ca. fünf Jahren von Japan nach Hamburg versetzt. Die Ehefrau des Klägers und seine zwei minderjährigen Kinder folgten ihm dorthin. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1980 machte der Kläger anläßlich des Umzugs u. a. Aufwendungen zur Beschaffung von Sonderbekleidung gemäß § 12 Abs. 1 der Verordnung über die Umzugskostenvergütung bei Auslandsumzügen vom 20. Juli 1966 (Auslandsumzugskostenverordnung - AUV -; BGBl I 1966, 425, BGBl I 1974, 460) als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Aufwendungen nicht an.

3

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 340 veröffentlichten Urteil statt.

4

Das FA begehrt mit seiner vom FG zugelassenen Revision die Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung und rügt die Verletzung der § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es trägt vor: Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 6. November 1986 VI R 135/85 (BFHE 148, 283, BStBl II 1987, 188) klargestellt, daß die Verweisung in Abschn. 26 der Lohnsteuer-Richtlinien 1978 (LStR) auf das Bundesumzugskostenrecht zur Ermittlung eines zutreffenden Werbungskostenabzugs dort ihre Grenze findet, wo diese Vorschriften mit dem allgemeinen Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht mehr vereinbar seien und die Aufwendungen unter das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 EStG fielen. Danach seien die Aufwendungen für die Sonderbekleidung i. S. des § 12 AUV nicht abziehbar, weil es sich dabei um bürgerliche Kleidung handele. Aufwendungen dafür dürften nach der Rechtsprechung des BFH selbst dann nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn feststehe, daß die Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt werde.

5

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 148, 283, BStBl II 1987, 188 darauf hingewiesen, daß die Verweisung in Abschn. 26 Abs. 1 Satz 4 LStR 1975 (entspricht der Regelung in den LStR 1978) auf die Vorschriften des Bundesumzugskostenrechts zur Ermittlung eines zutreffenden Werbungskostenabzugs dort ihre Grenze findet, wo diese Vorschriften mit dem allgemeinen Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht mehr vereinbar sind (vgl. auch v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 RdNrn. B 613f., sowie die Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1987, 186). An dieser Rechtsauffassung wird festgehalten. Auf dieser Grundlage ist dem FA darin beizupflichten, daß entgegen der Wertung des FG Aufwendungen für die Anschaffung von "Sonderbekleidung" i. S. des § 12 Abs. 1 AUV nicht als Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sind.

7

Nach § 12 Abs. 1 AUV werden zwar dem Beamten bei der ersten Verwendung an einem Auslandsdienstort mit einem vom mitteleuropäischen erheblich abweichenden Klima bestimmte Beträge zum Beschaffen von Sonderbekleidung gewährt, die von der Höhe des Einkommens und der Anzahl der Familienmitglieder abhängen. Es handelt sich jedoch bei dieser "Sonderbekleidung" nicht um eine besondere für die Berufsausübung erforderliche, sondern um normale bürgerliche Kleidung, die in ihrer Beschaffenheit lediglich den anderen klimatischen Verhältnissen Rechnung tragen soll.

8

Die Anschaffung normaler bürgerlicher Kleidung führt nach der Rechtsprechung des Senats im Hinblick auf das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG selbst dann nicht zum Werbungskostenabzug, wenn kein Zweifel besteht, daß die konkreten Kleidungsstücke so gut wie ausschließlich im Beruf getragen werden (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1990 IV R 65/90, BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348, 349). Die Berücksichtigung der Aufwendungen für Bekleidung als Werbungskosten scheidet wegen des Abzugsverbots des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG bereits immer dann aus, wenn die Benutzung eines Kleidungsstückes als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348, 349). Auch wenn die konkreten Kleidungsstücke ohne die beruflichen Gründe überhaupt nicht angeschafft worden wären und sie der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen sollen, ist das Tragen normaler bürgerlicher Kleidung jedenfalls auch gleichzeitig deswegen der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen, weil es dem menschlichen Bedürfnis nach Bekleidung Rechnung trägt. Kann aber selbst in Fällen der beruflichen Nützlichkeit der konkret angeschafften Kleidungsstücke ein Werbungskostenabzug nicht vorgenommen werden, so kann nichts anderes gelten, wenn anläßlich eines beruflich veranlaßten Umzugs Kleidungsstücke für den Steuerpflichtigen und seine Familie angeschafft werden müssen, bei denen eine Verwendung während der Berufsausübung überhaupt nicht in Betracht kommt.

9

Die Sache ist spruchreif. Da Aufwendungen für die Anschaffung bürgerlicher Kleidung nicht als Werbungskosten abgezogen werden können, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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1) S. hierzu BMF-Schreiben vom 8. Februar 1993 - IV B 6 - S 2353 - 11/93 - (BStBl I S. 247).