Grundstück; Dienstbarkeit; Durchschnittssatzbesteuerung

Fundstellen:

BFHE 177, 559 - 563

BB 1995, 1682 (amtl. Leitsatz)

BFH/NV 1995, 77

BStBl II 1995, 610-613 (Volltext mit amtl. LS)

DB 1995, 1795 (Volltext mit amtl. LS)

DStR 1996, 784 (amtl. Leitsatz)

DStZ 1995, 665-666 (Volltext mit amtl. LS)

HFR 1995, 661-662 (Volltext mit amtl. LS)

UR 1996, 22-24 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz:

1. Die entgeltliche Einräumung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit an einem Grundstück ist ein nach § 4 Nr. 12 lit. c UStG 1980 steuerfreier Umsatz. Es ist unerheblich, ob die Dienstbarkeit auf die Vernahme, die Duldung oder die Unterlassung einer Handlung im Zusammenhang mit dem Grundstück gerichtet ist.

2. Die Verpachtung einzelner landwirtschaftlicher Flächen durch einen Landwirt im Rahmen seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes unterliegt der Durchschnittsatzbesteuerung.

Tatbestand:

1

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) - ein Land- und Forstwirt mit pauschal nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 besteuerten Umsätzen - stellte den Elektrizitätswerken (AG) ab 1. Januar 1982 zuvor landwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen gegen Zahlung einer jährlichen Entschädigung von 1 075 DM je ha zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer zum Zwecke der Aufforstung zur Verfügung. Die AG war durch ein Raumordnungsverfahren verpflichtet, zum Ausgleich für die Errichtung eines Speichersees bewaldete Ersatzflächen durch Neuaufforstung zu beschaffen. Für Instandhaltung, Pflege, Düngung, Spritzen und Durchforstung der Aufforstungsflächen erhielt der Kläger 300 DM je ha zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer jährlich und durfte das anfallende Holz behalten. In einer notariellen Urkunde vom 1. Februar 1982 (Nr. 63/82 der Urkundenrolle des Notars) verpflichteten sich die Beteiligten, diese Vereinbarungen bis zum 31. Dezember 2066 zu erfüllen. Durch eine ebenfalls am 1. Februar 1982 geschlossene Vereinbarung (Nr. 64/82 der Urkundenrolle des Notars) bestellte der Kläger der AG eine (später im Grundbuch eingetragene) beschränkt persönliche Dienstbarkeit an den Grundstücken. Aufgrund dessen durften die Grundstücke für keinen anderen Zweck als für Wald-, Frei- und Wasserflächen benutzt werden, und es war dem Eigentümer untersagt, auf den bezeichneten Flächen Gebäude zu errichten oder die Grundstücksflächen als Acker- oder Grünland zu bewirtschaften.

2

Der Kläger wies in Rechnungen vom 3. Januar 1985 (für 1985), vom 27. Dezember 1985 (für 1986) und vom 16. Dezember 1986 (für 1987) Umsatzsteuerbeträge für die bezeichneten Leistungen gesondert aus. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte gegen den Kläger Umsatzsteuer für die Jahre 1985 bis 1987 nach § 14 Abs. 2 UStG 1980 fest, und zwar mit der Begründung, daß der Kläger über steuerfreie Leistungen in Gestalt der Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nach § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG 1980 mit gesondertem Steuerausweis abgerechnet habe.

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Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA zurück. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage dagegen statt. Es führte zur Begründung aus, die betreffende Steuerbefreiung greife nur ein, wenn das jeweilige dingliche Nutzungsrecht dem Berechtigten die positive Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks einräume. Aufgrund der im Streitfall bestellten Dienstbarkeit unterlasse der Kläger jedoch lediglich Handlungen, ohne der AG selbst eine Grundstücksnutzung einzuräumen.

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Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG 1980. Es macht geltend, der Kläger habe der AG mit der Dienstbarkeit auch die Nutzung der Grundstücke durch Einräumung von Gebrauchsvorteilen (Vornahme von Aufforstungen und Neuanpflanzungen) überlassen, durch die sie die behördlichen Auflagen erfüllen konnte. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG 1980 umfasse sämtliche - nicht nur auf positive Benutzung gerichtete - dingliche Nutzungsrechte an Grundstücken.

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Das FA beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung.

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Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger hat über steuerfreie Leistungen an die AG nach § 4 Nr. 12 UStG 1980 mit gesondertem Steuerbetrag abgerechnet und schuldet diese Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980.

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1. Bei der Besteuerung der UmSätze von Land- und Forstwirten - wie dem Kläger - nach Durchschnittsätzen gemäß § 24 Abs. 1 UStG 1980 bleiben die Befreiungsvorschriften nach § 4 UStG 1980 mit Ausnahme der Nummern 1 bis 6 unberührt. Ein Verzicht auf Steuerbefreiung nach § 9 UStG 1980 ist nicht möglich (§ 24 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980).

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a) Da der Kläger der AG nicht seinen gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und auch keinen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb (§ 24 Abs. 3 UStG 1980), sondern nur einzelne landwirtschaftliche Grundstücke auf Zeit überließ, hat er die streitbefangenen Leistungen im Rahmen seines weiterhin bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes (§ 24 Abs. 1 UStG 1980) ausgeführt (vgl. dazu die ertragsteuerliche Beurteilung: Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. März 1994 IX R 45/91, BFHE 175, 19, BStBl II 1994, 840). Eine von der Durchschnittsatzbesteuerung ausgenommene Verpachtung des gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, in der sich die unternehmerische Betätigung erschöpft (vgl. BFH-Urteile vom 21. April 1993 XI R 50/90, BFHE 171, 129, BStBl II 1993, 696; vom 21. Februar 1980 V R 113/73, BFHE 131, 104, BStBl II 1980, 613; Abschn. 264 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 1992; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 25. Oktober 1984, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1984, 285; Bauer, UR 1992, 228), liegt nicht vor.

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b) Der Kläger hat Grundstücksflächen steuerfrei nach § 4 Nr. 12 UStG 1980 an die AG überlassen, weil er nicht auf die Steuerbefreiung verzichten konnte.

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aa) Der Kläger hat Grundstücksflächen an die AG verpachtet (§ 581 Abs. 1, 2 ff. i. V. m. § 535 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) und damit eine nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 steuerfreie Leistung an sie ausgeführt. Das ergibt die Beurteilung der entsprechend der notariell beurkundeten Vereinbarung (Urkundenrolle Nr. 63/82 des Notars) erbrachten Leistungen.

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Inhalt der Leistung des Klägers war die Überlassung der bezeichneten landwirtschaftlichen Grundstücksflächen auf Zeit (vom 1. Januar 1982 bis 31. Dezember 2066) gegen Entgelt. Der Kläger als Grundstückseigentümer räumte der AG als Vertragspartner den Gebrauch des Grundstücks und die Fruchtziehung während einer begrenzten Zeit ein (§ 581 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die AG brauchte die Flächen, um die Erlaubnis zur Anlage des Speichersees zu erhalten (§ 1 des Vertrages). Sie mußte nach § 2 des Vertrages die ordnungsgemäße Aufforstung dieser Flächen auf ihre Kosten veranlassen, um einen Wald im Sinne des... Waldgesetzes zu schaffen.

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Sie konnte gemäß § 3 des Vertrages über die Holznutzung verfügen; denn sie durfte die ab 31. Dezember 2026 anfallenden Holznutzungen gegen Ansprüche des Klägers aus Arbeiten im Zusammenhang mit der Durchforstung des Waldes verrechnen, zu denen sich der Kläger gegenüber der AG gegen Entgelt verpflichtet hatte. Die AG mußte bei Kahlschlag wegen Windbruchs, Krankheitsbefalls oder höherer Gewalt Neuanpflanzungen auf ihre Kosten vornehmen. Das Entgelt für die "Hergabe von Grundstücken" sollte jährlich auf seine Angemessenheit geprüft werden. Unter weiteren bezeichneten Voraussetzungen konnte eine Änderung der Entschädigung gegenüber der letzten Veränderung des "Pachtzinses" verlangt werden. Vor dem Beginn der Aufforstung, die erst nach dem Zeitpunkt der Baugenehmigung für den Speichersee erfolgen sollte, war die AG berechtigt, "eine Gebrauchsüberlassung" der Flächen vorzunehmen (§ 4 des Vertrages). Die AG war verpflichtet, die mit dem Grund und Boden verbundenen Steuern und öffentlichen Abgaben zu tragen (§ 6 des Vertrages).

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Somit hat der Kläger der AG in Erfüllung einer entsprechenden schuldrechtlichen Verpflichtung aus einem Pachtvertrag die Nutzung seiner bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücke zum Gebrauch überlassen. Seine Leistung war auf Verpachtung der überlassenen landwirtschaftlichen Flächen gegen jährlich zu zahlenden Pachtzins (den die Beteiligten in § 3 Abs. 6 ihrer Vereinbarung ausdrücklich so bezeichnet haben) gerichtet. Die AG durfte diese Flächen dadurch nutzen, daß sie sie selbst oder mit Hilfe anderer aufforstete. Sie verfügte über die Früchte (Gebrauchs- und andere Vorteile) der Grundstücke, indem sie sie so nutzte, daß sie die ihr obliegenden raumordnungsrechtlichen Auflagen erfüllte und indem sie über die Holznutzungen als Früchte des Bodens dadurch verfügte (vgl. § 99 Abs. 1, 2 BGB; dazu Michalski in Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 9. Aufl., § 99 Rz. 4, 7), daß sie sie vom Jahr 2027 an dem Kläger als Entgelt für die von ihm zu leistenden Arbeiten und Aufwendungen überließ.

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Die vorbezeichnete Durchführung der notariell beurkundeten Vereinbarung (Urkundenrolle Nr. 63/82 des Notars) steht aus den erwähnten Gründen einer Beurteilung der Leistung des Klägers als steuerpflichtige Grundstücksüberlassung gegen Entschädigung für die Aufgabe einer landwirtschaftlichen Tätigkeit auf diesen Flächen entgegen. Daß das Entgelt, das der Kläger für diese Leistung erhielt, auch den Wegfall der bisherigen Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft der Höhe nach ausgleichen sollte, ändert nichts an dem beschriebenen Leistungsgegenstand. Unerheblich für die Entscheidung ist eine vom FG nicht festgestellte Einigung der Beteiligten darüber, daß die Grundstücksflächen nicht an die AG verpachtet werden sollten.

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Der Einräumung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit an den verpachteten Grundstücken kommt neben der Verpachtung kein eigenständiger umsatzsteuerlicher Gehalt zu. Sie erfolgte lediglich zur Sicherung der Berechtigung des Pächters aus dem Pachtvertrag; denn der Kläger bestellte der AG - ohne ausdrücklich bestimmtes Entgelt - dieses dingliche Recht erkennbar, um die Voraussetzungen für die Erfüllung der raumord ungsrechtlichen Auflagen gegenüber jedem Grundstückseigentümer zu schaffen. Die Bestellung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit rundete die Grundstücksüberlassung nur ab. Ohne Bedeutung ist deshalb auch, daß sie 1994 gelöscht worden ist, weil sie nach landesrechtlichen Vorschriften nicht notwendig bestellt zu werden brauchte.

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bb) Aber selbst wenn die Einräumung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB) an den Grundstücken als eigenständige Leistung beurteilt würde und wenn ihr ein Teil des einheitlich vereinbarten Entgelts zuzurechnen wäre, hätte der Kläger auch insoweit eine steuerfreie Leistung erbracht (§ 4 Nr. 12 Buchst. c UStG 1980). Eine solche Unterstellung zwänge nicht dazu, das dem Kläger zustehende Entgelt auf steuerlich unterschiedlich zu würdigende Leistungen zu verteilen (vgl. zur Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit neben einem Pachtvertrag, Joost in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 1090, Rz. 30).

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Die beschränkt persönliche Dienstbarkeit sicherte die AG, indem sie als dingliches Recht dem Grundstückseigentümer eine der bezeichneten Nutzung der Grundstücke entgegenstehende Bewirtschaftung untersagte. Dies erfüllt den Steuerbefreiungstatbestand des § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG 1980. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig. Er setzt nur die Bestellung eines dinglichen Nutzungsrechts an einem Grundstück voraus. Er gibt keinen Anhalt dafür her, daß lediglich die auf Duldung der Benutzung eines Grundstücks durch den Berechtigten in einzelnen Beziehungen gerichteten dinglichen Nutzungsrechte gemeint sein könnten, nicht aber solche Rechte, die eine Unterlassung gewisser Handlungen oder den Ausschluß der Ausübung eines Rechts zum Gegenstand haben. § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG 1980 ist mit Wirkung vom 1. Januar 1985 durch Art. 17 Nr. 3 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1493, BStBl I 1984, 659) in das UStG 1980 eingefügt worden. Nach der Gesetzesbegründung (BRDrucks 140/84, S. 71 zu Art. 19 - § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG -) ist die Steuerbefreiung auf die Bestellung aller dinglichen Nutzungsrechte an Grundstücken ausgedehnt worden, um eine gleiche Behandlung sämtlicher - auch bestehender - Grundstücksüberlassungen zur Nutzung zu erreichen (vgl. dazu Zimmermann, Der Betrieb 1985, 195; Hünnekens, Neue Wirtschafts-Briefe, Steuerrecht, Fach 7, 3529, 3530). Bei der Bestellung dinglicher Rechte an Grundstücken greift die Steuerbefreiung ein, wenn dadurch ein Dauerzustand durch Duldungs- oder Unterlassungsleistungen (auch in Teilleistungen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2, 3 UStG 1980) herbeigeführt wird (vgl. Schlienkamp, UR 1985, 49, 51). Die Steuerbefreiung durch Bestellung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken schließt - wie bei einer Vermietung oder Verpachtung - auch Unterlassungen oder Rechtsbeschränkungen des Grundstückseigentümers ein, die dem Nutzungsrecht des Berechtigten entgegenstehen.

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Im Streitfall hat der Kläger zudem eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit eingeräumt, die die AG zur Nutzung der Grundstücke berechtigte. Die AG konnte die Grundstücke zur Schaffung von Waldflächen nutzen. Dies war der Zweck, dessentwegen sie sich die Grundstücke vom Kläger zur Verfügung stellen und dies dinglich absichern ließ; denn sie wollte ihren raumordnungsrechtlichen Auflagen nachkommen.

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c) Ein pauschal besteuerter Land- und Forstwirt, der über steuerfreie Teilleistungen mit gesondert ausgewiesenem Steuerbetrag abrechnet, schuldet diesen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980), solange er die Rechnung nicht berichtigt (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980). Dies ist seitens des Klägers in den Streitjahren nicht geschehen.

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d) Die Steuerschuld des Klägers hinsichtlich des in der Rechnung vom 27. Dezember 1985 für die Grundstücksüberlassungen 1986 gesondert ausgewiesenen Steuerbetrags entstand nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1980 im Besteuerungszeitraum 1986, in dem der Kläger die Teilleistung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2, 3 UStG 1980) ausgeführt hat. Entsprechendes gilt für die Rechnung vom 16. Dezember 1986 für 1987.