Ersetzen eines angefochtenen Verwaltungsaktes nach Änderung des Verwaltungsakts und Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung; Aussetzung eines Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Baden-Württemberg - 30.01.2004 - Az.: 12 K 136/01

Rechtsgrundlage:

§ 68 Abs. 1 FGO

Fundstelle:

BFH/NV 2006, 352-353

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision ist zum Teil unbegründet und zum Teil unzulässig und deshalb insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

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1.

Das Finanzgericht (FG) hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§§ 96 Abs. 2, 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--; Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht dadurch verletzt, dass es nicht über den angefochtenen Vorauszahlungsbescheid zur Einkommensteuer 2001, sondern über den Jahresbescheid zur Einkommensteuer 2001 entschieden hat. Denn entgegen der Auffassung des Klägers ist der am 24. März 2003 ergangene Einkommensteuerbescheid 2001 Gegenstand des finanzgerichtlichen Klageverfahrens geworden.

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Gemäß § 68 Satz 1 FGO wird, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird, der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Nach § 68 Satz 2 FGO ist der Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt insoweit ausgeschlossen. Diese durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (FGOÄndG2) neu gefasste Regelung, nach der im Gegensatz zur bisherigen Regelung der ändernde oder ersetzende Verwaltungsakt auch ohne einen entsprechenden Antrag zum Verfahrensgegenstand wird, gilt mit Wirkung ab 1. Januar 2001 (vgl. Art. 6 FGOÄndG2). Ausschlaggebend für die Anwendung der Neuregelung ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe des ändernden oder ersetzenden Verwaltungsaktes (hier: 27. März 2003, unter Berücksichtigung von § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) "ersetzt" der Jahressteuerbescheid den Vorauszahlungsbescheid i.S. des § 68 FGO; denn die Vorschrift des § 68 FGO erfordert nicht etwa die Nämlichkeit des Streitgegenstandes, sondern setzt lediglich voraus, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt durch Erlass des neuen Verwaltungsaktes seine Wirkung verliert und dass sowohl Beteiligter als auch Besteuerungsgegenstand hinsichtlich beider Verwaltungsakte identisch sind (vgl. BFH-Beschluss vom 6. November 1987 III B 101/86, BFHE 151, 428, BStBl II 1988, 134, m.w.N.). Diese zu § 68 FGO a.F. ergangene Rechtsprechung gilt uneingeschränkt auch für § 68 FGO n.F. da dort im Wesentlichen nur das Antragserfordernis weggefallen ist.

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Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung am 30. Januar 2004 hat der Kläger auch die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2001 beantragt. Die Einwendungen des Klägers gegen die inhaltliche Richtigkeit des Protokolls reichen nicht aus, um dessen Beweiskraft zu erschüttern.

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Nach § 94 FGO sind im finanzgerichtlichen Verfahren die für die Niederschrift geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden. Die Beachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll, dem ein erhöhter Beweiswert zukommt (vgl. §§ 415 und 418 ZPO), bewiesen werden (§ 165 Satz 1 ZPO). Gegen den die Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung betreffenden Inhalt des Protokolls (vgl. § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) ist nach § 165 Satz 2 ZPO nur der Nachweis der Fälschung zulässig. Solange dieser Nachweis nicht geführt ist, muss davon ausgegangen werden, dass die im Protokoll vermerkten Anträge gestellt worden sind.

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Etwas anderes gilt nur in dem Fall, dass das Protokoll nach § 164 Abs. 1 ZPO wirksam berichtigt worden ist. Dann ist das Protokoll nicht in seiner ursprünglichen, sondern in seiner berichtigten Fassung maßgebend (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Mai 1999 VII B 44/98, BFH/NV 1999, 1490).

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2.

Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe gegen die Vorschrift des § 74 FGO verstoßen, hat er einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht in der vom Gesetz geforderten Form dargelegt (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

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Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels in einer Nichtzulassungsbeschwerde erfordert die genaue Angabe der Tatsachen, aus denen sich nach Auffassung des Klägers ein Verfahrensverstoß ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 12. November 1993 III B 234/92, BFHE 173, 196, BStBl II 1994, 401: zur Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit eines vor dem Bundesverfassungsgericht --BVerfG-- anhängigen Musterprozesses). Da die Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit gemäß § 74 FGO im Ermessen des Gerichts steht, muss der Kläger, will er einen diesbezüglichen Verfahrensverstoß des Gerichts rügen, insbesondere dartun, weshalb die besonderen Umstände seines Falles ausnahmsweise das FG zu einer Aussetzung des Verfahrens hätten veranlassen müssen, mithin das dem FG in § 74 FGO eingeräumte Ermessen im Streitfall auf Null reduziert gewesen sein soll (BFH-Beschlüsse vom 5. März 2003 VII B 381/02, BFH/NV 2003, 931, m.w.N.; vom 8. April 2003 XI B 79/00, BFH/NV 2003, 1585). Allein mit der bloßen Angabe des Aktenzeichens des beim BVerfG anhängigen Verfahrens und dem Hinweis, dass die hier angefochtenen Bescheide im Hinblick auf die anhängige Verfassungsbeschwerde nicht vorläufig gestellt worden seien, ist der Kläger dieser Darlegungspflicht nicht nachgekommen.

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3.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger ebenfalls nicht ausreichend dargelegt.

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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss in der Beschwerdeschrift schlüssig und substantiiert dargelegt werden.

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Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift im Streitfall nicht. Die Ausführungen des Klägers zur Frage des beschränkten Abzugs von Vorsorgeaufwendungen erschöpfen sich im Kern auf eine Kritik an dem Urteil des FG und den vom FG zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen Entscheidungen des BFH. Zur Frage des Spendenabzugs trägt der Kläger lediglich vor, dass es für das FA ein Leichtes und deshalb zumutbar gewesen wäre, die Gemeinnützigkeit der Organisationen, an die er gespendet habe, selbst festzustellen.

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